Pfarrkirche Spezial

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1045 Erste Nennung einer Kirche in Mellingen

Originalabschrift des Chronisten Aegidius Tschudi aus dem 16. Jahrhundert. Der Name Mellingen befindet sich auf der zweiten Zeile zuvordertst. Darin wird erwähnt, dass die Kirche Mellingen im Besitz des Frauenstifts Schänis sei.
Standort: Staatsarchiv des Kantons Zürich Hs. B X 62. F. 7
Vorliegender Text ist auf dem hinteren Seite des Umschlags des unten genannten Werks abgebildet.
Literatur: Rainer Stöckli. 1045 - erste Nennung einer Kirche in Mellingen, S. 9-14. In: 950 Jahre Kirche Mellingen. Mellingen 1995, s. 9-14.


Bild-Nr.: 11200
Bild: Staatsarchiv Kanton Zürich
Text: Rainer Stöckli
Copyright:

1045

Spätgotische Monstranz

Mitte 16. Jahrhundert Spätgotische Monstranz

Aus Silber, teilvergoldet. Über der Halterung für die Hostie Strahlenkranzmadonna, links der Halterung Johannes der Täufer, rechts Johannes Evangelist. Höhe 76.5 cm. 1671/72 durch den Luzerner Goldschmied (Hans Georg?) Krauer restauriert.

Standort: Katholische Kirchgemeinde, Kirchenschatz.


Bild-Nr.: 11263
Bild: Hans Zürcher
Text: Peter Hoegger / Rainer Stöckli
Copyright: Fotoarchiv Mellingen

ca. 1550

Palmesel von Mellingen

Der Palmesel von Mellingen aus der Zeit um 1600. Dieser wurde an den Palmsonntagsprozessionen, welche an den Einzug von Jesus in Jerusalem erinnerten, mitgezogen. Der Palmesel wurde 1893 von der kath. Kirchpflege ans Nationalmuseum Zürich verkauft. Bis dahin wurde er im Haus Kleine Kirchgasse 34 in der sogenannten Eselskammer aufbewahrt.

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Die Figurengruppe kehrte anlässlich der Sonderausstellung "Volksfrömmigkeit", die vom 15. April bis 7. Mai 2000 im Forum Stadtscheune in Mellingen stattfand, wieder kurzfristig nach Mellingen zurück.

Inventar Nationalmuseum Zürich Nr. LM 93.

Literatur: Rainer Stöckli. Volksfrömmigkeit. Unterentfelden 2000, Titelblatt und S. 28.


Bild-Nr.: 11265
Bild: Nationalmuseum Zürich
Text: Rainer Stöckli
Copyright: Nationalmuseum Zürich

ca. 1600

Ca. 1600 Jesus auf dem Palmesel von Mellingen

Ausschnitt: Oberteil der Jesusfigur.

Für das Weitere s. Bild-Nr. 11265


Bild-Nr.: 11265.1
Bild: Nationalmuseum Zürich
Text: Fotoarchiv-Team
Copyright: Nationalmuseum Zürich

ca. 1600

Jahrzeitenbuch von Johann Caspar WInterlin 1614

Titelblatt des Jahrzeitenbuches von 1614 im kath. Pfarrarchiv Mellingen
Eines der 51 bisher bekannten Werke des Buchmalers Johann Caspar Winterlin, Mönch im Kloster Muri.

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1614 schenkte Abt Johann Jodok Singisen der Kirche seiner Vaterstadt Mellingen ein von Johann Caspar Winterlin geschaffenes Jahrzeitenbuch. In Jahrzeitenbüchern sind bekanntlich die Jahrzeitstiftungen eingetragen, aufgrund derer an einem bestimmten Tag für Verstorbene jährlich ein Gedenkgottesdienst, die sogenannte Jahrzeit, abgehalten werden muss. Diese Handschrift ist noch heute als Band 34 im Pfarrarchiv der kath. Kirchgemeinde Mellingen aufgestellt. Es handelt sich um eine 52-blättrige Pergamenthandschrift, in der auch eine Jahrzeit eingetragen ist, die Abt Johann Jodok Singisen und seine beiden Brüder Johann Heinrich, Amtsmann des Klosters Muri in Bremgarten, und Hieronymus Singisen, Schultheiss von Mellingen, für sich und ihre Verwandten stifteten. In diesem vom Murianer Klosterbruder Niklaus Keller in Schweinsleder eingebundenen Buch sind die hohen Festtage in Rot eingetragen. Der kostbarste künstlerische Schmuck ist aber das von Winterlin gemalte Titelblatt, mit Widmung, dem Wappen der Abtei Muri (links), dem Wappen der Familie Singisen (rechts), dazwischen Abtsstab und oberhalb eine Mitra, umrahmt von einem Lorbeerkranz.
Die Pfarrei Mellingen besitzt damit ein repräsentatives, wertvolles Werk aus der letzten Phase der schweizerischen Buchmalerei.
Text: "IOAN. IODOCVS ABBAS MONASTERII IN MVRI, SVIS MELLINGENSIBVS, PRO PIA REPARATIONE ET AVGMENTATIONE EORVNDEM ECCLESIAE, HVNC LIBRVUM ANNIVERSARII BENEVOLENTIAE ET AMORIS ERGO LL.DD. ANNO M . DC . XIIII."
Sinngemäss übersetzt: "Abt Johann Jodok von Muri hat aus Liebe und Zuneigung gegenüber seinen Mitbürgern 1614 dieses Jahrzeitenbuch der Kirche Mellingen als frommes Zeichen der Erneuerung und der Wertschätzung geschenkt."

Literatur:
- Alfred A. Schmid. Die Buchmalerei des XVI. Jahrhunderts. Olten 1954, S. 143,
- Rainer Stöckli. 950 Jahre Kirche Mellingen. Mellingen 1995, S. 22.
- Martin Allemann. ... Johann Casoar Winterlin - Buchmaler - 1570/72 bis 1634.
Unsere Heimat 72 (2004).
- Rainer Stöckli. Eine Biografie über den Murianer Buchmaler Johann Kaspar
Winterlin. Reussbote 7. Januar 2005.


Bild-Nr.: 11500
Bild: Leo Peterhans
Text: Rainer Stöckli
Copyright: Fotoarchiv Mellingen

1614

Ca. 1630 Vergoldeter Kelch aus Silber im Mellinger Kirchenschatz

Kelch von Dr. Johannes Schnyder (1565 – 1639), Propst des Stifts Baden von 1624 bis 1633, der Kirche Mellingen geschenkt.
Dieser 24 cm hohe, frühbarocke Kelch schuf ein Goldschmied Wanger von Baden. Auf dem Kelchfuss das Stifterwappen und die Inschrift: „IO(HANNES) SCHNYDER D(OCTOR)". Johannes Schnyder war Bürger von Mellingen.
Standort: Kath. Kirchgemeinde Mellingen, Kirchenschatz
Literatur. Rainer Stöckli. 950 Jahre Kirche Mellingen. Mellingen 1995, S. 34-35.


Bild-Nr.: 11262
Bild: Leo Peterhans
Text: Rainer Stöckli
Copyright: Fotoarchiv Mellingen

ca. 1630

1655 Der heilige Castorius

Die Gebeine der Katakombenheiligen Castorius und Hilaria gelangten gleichzeitig 1653 nach Rohrdorf bzw. nach Mellingen. Castorius war im Städtchen hochverehrt, sind uns doch aus der Mitte des 17. Jahrhunderts nicht weniger als ein halbes Dutzend Berichte überliefert, der Heilige habe Mellinger Bürgern in schwerer Not geholfen. Umso mehr verwundert es, dass Castorius in Mellingen bis 1730 nur zweimal als Taufname gewählt wurde, Hilaria dagegen 38mal und der relativ weit entfern gelegene Leontius von Muri 27mal.

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Das obenstehende Aquarell des hl. Castorius malte 1655 vermutlich der Mellinger Kunstmaler Johann Georg Horer (+1669).
Standort des Heiligenbildes: Kath. Pfarrarchiv Mellingen Nr. 41. S. 11.

Literatur: Rainer Stöckli. 950 Jahre Kirche Mellingen. Mellingen 1995, S. 59.


Bild-Nr.: 11251
Bild: Leo Peterhans
Text: Rainer Stöckli
Copyright: Fotoarchiv Mellingen

1655

Die heilige Hilaria

Aquarell von 1655 vermutlich vom Mellinger Kunstmaler Johann Georg Horer (+1669).
Links und rechts zu Füssen der Hilaria die von Engeln gehaltenen Mellinger Wappenschilde. Dass es sich hier tatsächlich um ein Werk Horers handeln könnte, erhärtet die Tatsache, dass dieses Gemälde in einem Codex gemalt ist, in welchem eingangs eine Beglaubigung der Authentizität der Gebeine der heiligen Hilaria abkopiert ist. Bei dieser Beglaubigung war Horer als Zeuge zugegen.

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Der grösstenteils leere Band, in den später einige Angaben über das kirchliche Leben eingetragen wurden, war wohl ursprünglich als eine Art Gebetserhörungsbuch der heiligen Hilaria gedacht, ein Band also, in dem festgehalten werden sollte, in welchen Fällen Menschen in der Not dank der Fürbitte zu Hilaria geholfen wurde. Doch fehlen leider im Gegensatz zum Pfarrarchiv Rohrdorf, wo unter der Nr. 159 noch heute ein solches Buch über den heiligen Castorius aufbewahrt wird, im vorliegenden Mellinger Band derartige Aufzeichnungen.
Standort des Heiligenbildes: Kath. Pfarrarchiv Mellingen Nr. 41. S. 7
Literatur: Rainer Stöckli. 950 Jahre Kirche Mellingen. Mellingen 1995, S. 49-51.


Bild-Nr.: 11250
Bild: Leo Peterhans
Text: Rainer Stöckli
Copyright: Fotoarchiv Mellingen

1655

Pfarrkirche Grabplatte an der Stadtmauer

Diese Grabplatte ist ganz links an der Stadtmauer zwischen Kirche und Iberg angebracht und hat die Masse 182 x 81 cm.
Es trägt neben den Initialen AM (für Arbogast Müller) jene von
EH (für Elisabeth Honegger / 1644-1669), Müllers erster, bereits
1669 verstorbener Gattin aus Bremgarten, sowie die Wappen der beiden, ein Mühlrad (Müller) sowie eine Figur mit Trauben zu deren Seiten (Honegger).
Die Buchstaben CK erinnern an Müllers zweite Gattin, Anna Katharina Keller (+1711) von Luzern.

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Das dritte, auf der Grabplatte angebrachte Wappen ist daher jenes der Keller. Die auf dem Stein schliesslich erkennbare Zahl 1674 bedeutet das Todesjahr des offenbar im Säuglingsalter verstorbenen Kaspar Müller, eines der 12 Kinder, welche Anna Keller dem Schultheissen Müller schenkte.

Die u.a. an der Stadtmauer angebrachten Grabplatten dienten bis 1972 in umgestürzter Form als Einfassungsmauer der Pfarrkirche. Der Friedhof breitete sich bis 1736 rund um die Kirche aus, bis in diesem Jahr ein Friedhof bei der neuerstellten Antoniuskapelle angelegt wurde. Personen der städtischen Oberschicht wurden aber noch bis 1811 bei der Pfarrkriche beigesetzt.

Man beachte das meisterhaft gestaltete Barockkreuz von 1669 auf dem Friedhof mit den Initalen von Arbogast Müller und Elisabeth Honegger auf der flachen Anhöhe gegenüber dem Gemeinschaftsgrab auf dem Friedhof, s. Bild-Nr. 11052.




Bild-Nr.: 11051
Bild: Fotoarchiv Mellingen
Text: Rainer Stöckli
Copyright: Fotoarchiv Mellingen

1674

1717 Madonnenbüste mit Jesuskind

Madonnenbüste mit Jesus als Wickelkind. Diese 46 cm hohe, farbig gefasste Plastik aus Lindenholz schuf der Mellinger Franz Xaver Widerkehr (1680-1760) im Jahre 1717 und dürfte einstmals einen Altar der Pfarrkirche geschmückt haben.
Standort: Nationalmuseum Zürich. Inventar. Nr. IN 7050

Literatur: Rainer Stöckli. 950 Jahre Kirche Mellingen. Mellingen 1995, S. 40


Bild-Nr.: 11260
Bild: Nationalmuseum Zürich, Inventar-Nr. IN 7050
Text: Rainer Stöckli
Copyright: Nationalmuseum Zürich

1717

Kirchen im Aargau

Abbildung von Kirchen im Aargau u. a. der Stadtkirche Mellingen und der Antoniuskapelle daselbst (erste Reihe, 3. und 4. Bild). Die Abbildungen stammen von Heinrich Keller (1778-1862), Kartograf, Panoramazeichner und Verleger in Zürich. Das Werk dürfte zwischen 1820 bis 1850 entstanden sein. Ein Originaldruck liegt im Aargauer Staatsarchiv.


Bild-Nr.: 11400
Bild: Staatsarchiv Aargau
Text: Rainer Stöckli
Copyright: Fotoarchiv Mellingen

ca. 1835

1902 Pfarrkirche in Mellingen: Detaillierte Beschreibung

1902 Älteste Innenansicht der Pfarrkirche, also vor der Umgestaltung im neubarocken Stil im Jahre 1911. Oben zwischen Innen- und Aussenansicht der Kirche das Porträt von Pfarrer Karl Abegg (1863-1940), Pfarrer von Mellingen von 1901 bis 1913.

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Die Pfarrkirche Mellingen - eine Übersicht:
Die erste Kirche von Mellingen dürfte noch im ersten Jahrtausend entstanden sein, d.h. auf dem Gelände des heutigen Kirchhofs dürften sicher zwei Vorgängerbauten vermutet werden. Bei der letzten umfassenden Restauration 1970/72, bei der man die Umgestaltung der Kirche in neubarockem Stil von 1911 rückgängig machte, wurden leider archäologische Untersuchungen unterlassen. Urkundlich ist eine Kirche erstmals 1045, also rund zwei Jahrhunderte vor dem Bau einer bewehrten Siedlung, als Besitz des Frauenstifts Schänis im Gasterland erwähnt. Das heutige lichtdurchflutete Gotteshaus von 1675 präsentiert sich als einfaches Rechteckschiff mit flacher Decke und sparsam angebrachten Stuckaturen. Ein runder Triumphbogen gibt den Blick auf den leicht erhöhtem fünfseitigen Chor mit scharfkantigen, spitz zulaufenden Stichkappen im Gewölbebereich frei und gemahnt an den noch spätgotisch anmutenden Frühbarock. Leider wurde 1830 der grösste Teil der wertvollen, vor allem durch einheimische Künstler geschaffenen frühbarocken Ausstattung ausgeräumt und durch klassizistische, dunkelgehaltene Altaraufbauten mit korinthischen Säulen, Werke von Jodok und Michael Huttle von Baden, ersetzt. Diese schufen auch die Kanzel mit der Figur des Heiligen Wendelin(?) auf deren Schalldeckel.
Frühbarock sind einzig Teile des Chorgestühls und die beiden Johannesstatuen auf dem Hochaltar von 1677, links Johannes der Täufer, rechts Johannes Evangelist, bemerkenswerte Werke vom Johann Adam Widerkehr, Stammvater der Mellinger Künstlerdynastie der Widerkehr. Sieben Mitglieder dieser Familie hinterliessen viele Dutzend Kunstwerke in der ganzen Deutschschweiz vor allem im sakralen Bereich. Den Hochaltar ziert ein qualitätsvolles Kreuzigungsbild, geschaffen 1831 vom Zuger Maler Kaspar Moos. Auf dem Oberblatt Johannes der Täufer als Jüngling, frühes 19. Jahrhundert, 1972 im Kunsthandel erworben. Auf den beiden Tischchen zwischen Hochaltar und Chorgestühl links eine Statue des Hl. Benedikt (Anfang 17. Jahrhundert), rechts Figur des Hl. Nepomuk (Anfang 18. Jahrhundert), Kunstwerke, die bis 1972 die Antoniuskapelle zierten. Der heutige freistehende Zelebrationsaltar schuf 1972 Othmar Ernst, Windisch. An den beiden Seitenaltären beachtliche Renaissancegemälde von der gleichen Hand, mit stark italienischen und geringeren niederländischen Stileinschlägen, entstanden um 1600, 1972 aus dem Kunsthandel erworben. Links die Verheiratung Mariens, rechts Maria mit den Apostelfürsten Petrus und Paulus. Im rechten Seitenaltar sind die Gebeine der Katakombenheiligen Hilaria, die 1653 von Rom nach Mellingen überführt wurden, eingelassen. An den Seitenwänden des Kirchenschiffs die 14 Stationenbilder, Gemälde nach spätbarocker Vorlage um 1800/1820. Links neben dem Hauptausgang Statue des Hl. Antonius aus dem Frühbarock, 1680/90. Anlässlich der Restauration von 1970/72 wurde auch die Empore in klassizistischem Stil als hübsches Pendant zu Hoch- und Seitenaltären mit einer Orgel von ganz besonderer Klangqualität von Metzler in Dietikon gestaltet. Von der Umgestaltung der Kirche im neubarocken Stil 1912 ist nach der Restaurierung 1970/72 nur wenig übrig geblieben: Über dem Portal zur Sakristei das stuckierte Wappen von Propst Franz L. Segesser von Luzern und an der Aussenfassade die Uhr und das Kreuz oberhalb des Giebels. Aus der Zeit des Kirchenbaus stammt das Hauptportal, vermutlich ebenfalls geschaffen von Johann Adam Wiederkehr. Es ist dies eines der bemerkenswertesten Werke des sogenannten Knorpel- und Ohrmuschelstils in der Schweiz. Darüber das Baudatum 1675 mit Mellinger Doppelwappen und Reichsadler.
Auf dem zwiebelförmigen Dachreiter der Kirche hängt eine Glocke, die Jakob Philipp Brandenberg 1797 in Zug goss.
Ein Grossteil der in die Fenster von Schiff und Chor eingelassenen kleinformatigen Glasgemälde, beachtliche Vertreter der letzten Blüte schweizerischer Kabinettscheibenmalerei, wurde aus der gotischen Vorgängerkirche übernommen. Keine andere Pfarrkirche im Aargau beherbergt eine derart grosse Anzahl solcher Scheiben. Die Abbildungen der Kabinettscheiben und deren Beschreibung s. unter den Bildnrn. 11075-11088.

Geschichtliche Daten zur kath. Pfarrei s. Bild-Nr. 11009

Postkarte


Bild-Nr.: 11000.1
Bild: E. Schramm, von Apenrade, Schleswig-Holstein
Text: Rainer Stöckli
Copyright: Fotoarchiv Mellingen

1902

1972 Grabplatten an der Stadtmauer

Diese Grabplatten dienten bis 1972 zum grössen Teil als Einfassungsmauer der Pfarrkirche. Als diese Mauer erneuert wurde, stellte man fest, dass es sich bei den ursprünglichen Steinen um wertvolle ehemalige Grabplatten vom Friedhof, der bis um die Kirche herum angelegt war, handelte. Diese wurden darauf an der Stadtmauer zwischen Pfarrkirche und Iberghof befestigt, zwei brachte man im Erdgeschoss des Glockenturms an, eine weitere im Friedhofgebäude.

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Auf vorliegendem Foto sehen wir vier Epitaphien:
- rechts: nicht eindeutig identifizierbar: Kreuz, rechts davon die Initialen M.S. (S = Schneider) und die Jahreszahl [17?]32. Unter dem Kreuz das Wappen des Mellinger Bürgergeschlechts Müller (Mühlerad) und zwei Wappen vermutlich des Mellinger Bürgergeschlechts Schneider.
- Mitte: unter Kreuz drei von Palmwedeln eingerahmte unbekannte Wappen.
- rechts oben: "Runde Grabplatte aus Messingguss für die 1630 verstorbene 'Maria Ursula von Berenlingen'. Die vor wenigen Jahren [konkret 1980] vom Ortsmuseum an die Stadtmauer zwischen Pfarrkirche und Ibergerhof verlegte Grabplatte stammt aus dem Chor der Stadtkirche, von wo sie bei der Renovierung 1970-72 entfernt wurde. Dargestellt sind ein geviertes Wappen mit aufrecht steigenden und wachsenden Löwen, darüber ein Helm mit Helmdecke und Zimier (aus Krone wachsender Löwe). Darum herum ist in drei Reihen die Inschrift geführt: 'Hie ligt begraben die edell und tugentdrich iunckfraw Maria Ursula von Berenlingen starb den 20 Hewm. [Juli] des 1630 Iars Got trost ihr Sel'. Wer Maria Ursula von Berenlingen war, ist nicht bekannt. Weder konnte das Wappen zugeordnet werden noch hat sich die Vermutung bestätigt, dass mit Berenlingen Beroldingen gemeint sein könnte. Der Fundort lässt auf eine Adlige schliessen, war der Chor als Begräbnisort doch nur wenigen hochrangigen Personen vorbehalten. Das Todesjahr könnte auf einen Zusammenhang zum Dreissigjährigen Krieg verweisen. In dieser Zeit hielten sich in Mellingen viele Flüchtlinge auf."

Text: Oneline-Inventar der Kantonalen Denkmalpflege Aargau

Interessanterweise finden wir auch im Totenbuch der Stadt Mellingen keinen Eintrag über Maria Ursula von Berenlingen. Da eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Wappen des Urner Magistratengeschlechts von Beroldingen besteht (ebenfalls zwei - aber nicht wie hier vier - steigende Löwen) wurden die ausführlichen Genealogien der von Beroldingen konsultiert, ohne aber einen Hinweis auf Maria Ursula zu finden. Auch eine Anfrage ans Urner Staatsarchiv brachte keine neuen Erkenntnisse.

- rechts unten: Epitaph von Heinrich Trub (ca.1532-1601), Pfarrer von Mellingen 1580 bis 1589.
Es handelt sich vermutlich um das älteste erhaltene Epitaph: Oben ein Kreuz und die Jahreszahl 1601, unten ein Kelch und die Initialen H T.
Bürger von Bremgarten. Laut bischöflichem Visitationsprotokoll hatte er mit seiner Haushälterin acht Kinder, wovon fünf im Kindesalter starben. Der Aufforderung des bischöflichen Visitators, sich von seiner Konkubine und seinen Kindern zu trennen, kam Trub nicht nach. Interessant ist, dass sich Trub nicht dem Machtwort der kirchlichen Obern beugte, wohl aber drei Jahre später 1589 Schultheiss und Rat von Mellingen. Da Trub stark verschuldet war und wegen anderer Vorkommnisse entsetzten die Mellinger den Pfarrer seines Amtes. Darauf wurde Trub Pfarrer in Oberwil/AG und 1590 Kaplan an der Spitalpfründe in Bremgarten. Da aber Trubs Epitaph sich in Mellingen befindet, ist anzunehmen, dass der Geistliche seine letzten Jahre bei beinem Sohn Martin Trub in Mellingen verbrachte und hier 1601 verstarb.

Literatur: Ein Bericht von 1586 über die kirchlichen Verhältnisse in Mellingen. In: Rainer Stöckli. Späne von der Werkbank eines Geschichtsfreundes. Unterentfelden 1987, S. 10-15.


Bild-Nr.: 11051.1
Bild: Fotoarchiv Mellingen
Text: Rainer Stöckli / Aargauer Denkmalpflege
Copyright: Fotoarchiv Mellingen

ca. 1972