Untere Geflechtsfabrik
Mellingen-Dorf Süd-Ost > Stetterstrasse
Stattlicher Gebäudekomplex, der 1923-25 für die von Jean Kappeler gegründete Geflechtfabrik an der Strasse nach Stetten, auf der Grossmatte errichtet wurde. Während sich das vorangestellte Wohn- und Bürogebäude mit einem zweigeschossigen Turmerker und einem neubarock gestalteten Eingangsportal zur Strasse hin als Schlösschen präsentiert, erinnert der angebaute dreigeschossige Fabriktrakt mit einem Dachaufbau und zinnengesäumter Dachterrasse eher an die Befestigungs- und Burgenarchitektur und greift mit den Treppengiebeln ein Motiv auf, dass sich am Alten Rathaus jenseits der Reuss wiederfindet. Der äusserlich intakt erhaltene Industriezeuge bezeugt die einst regional verbreitete Stroh- und Geflechtindustrie und nimmt – von weither sichtbar – eine prägende Stellung am östlichen Ortsausgang ein.
Laut Brandkataster entstand zuerst ein massiv gemauertes Fabrikgebäude mit Vorbau und Veloschopf. Hinter dem Fabrikgebäude folgte noch 1923 eine zur Strohmanufaktur gehörende Mechanische Werkstätte aus Stein, "Rieg" und Eternit. 1925 war auch der mit der Rückseite an die Fabrik angebaute zweigeschossige Kopfbau an der Stetterstrasse fertiggestellt. Das typologisch als Wohnhaus gestaltete "Bureaugebäude hat 2 Verbindungsbauten".
Jean Kappeler war Erfinder von Textilmaschinen und hatte 1904 die "Schmid, Kappeler & Co.", ab 1917 Argovia AG, mitbegründet, die sich der maschinellen Fabrikation von Hanfgeflechten widmete (später auch textile Kleidung) und nur rund hundert Meter weiter stadtauswärts stand. Bei der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft 1910 trennte sich Jean Kappeler von seinem Geschäftspartner und liess sich auszahlen. Die von ihm gegründete Strohmanufaktur wurde schon 1924 in "Geflechtfabrik und Zwirnerei AG" und 1928 in "Geflechtfabrik Mellingen AG" umbenannt. Die Firma, die etwa bis um 1940 bestand, war unter anderem für ihre Klöppelspitzen bekannt.
Der Fabrikkomplex hat sich seither äusserlich nur wenig verändert. Die Fabrikräume werden heute zu Lagerzwecken genutzt. Der Kopfbau enthält im Erdgeschoss noch immer Büroräume, während in den Obergeschossen Wohnungen untergebracht sind.
Quelle: Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0051: Brandkataster Gemeinde Mellingen 1899-1938.