Albert Nüssli-Stutz
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Vorgelesen von Resignat Alois Ender am 21. April 1984, in der Pfarrkirche Sankt Johannes des Täufers in Mellingen
Vater Nüssli ist nicht mehr unter uns; das Bild eines patriarchalischen Menschen entschwunden. Es ist nicht leicht, am Ende eines solch vielseitigen Lebens und Wirkens das Wichtige, Entscheidende herauszufinden. Wichtig ist ja doch letztlich, dass jeder Mensch die ihm geschenkten Talente gut verwaltet und möglichst vielseitig für das Wohl der Mitmenschen einsetzt. Das hat Vater Nüssli in reichem Masse getan. Er hat sich bis ins hohe Alter selber weitergebildet.
Albert Nüssli wurde am 23. August 1891 in Mellingen geboren. Seine Jugendzeit verlebte er bei Pflegeeltern im Bahnwärterhäuschen bei der Reussbrücke und später im heutigen Familiensitz.
Ausgezeichnete Lehrer prägten ihn fürs Leben: da war die temperamentvolle "Jumpfer Lehrerin" Sophie Wassmer, der das aufgeweckte Bürschchen manchen Streich gespielt hat. Und in Oberlehrer Josef Erne fand er einen väterlichen Förderer, der die wache Intelligenz erkannte und ihm zusätzlichen Lernstoff und unentgeltlichen Unterricht vermittelte. Dankbare Treue verband ihn zeitlebens mit ihnen.
Entscheidend beeinflusst wurde er durch seinen hochverehrten, strenggläubigen Religionslehrer, den ersten in Mellingen wirkenden reformierten Pfarrer Dr. Jakob Heitz. Sein einstiger Schüler blieb ihm zeitlebens in Freundschaft zugetan und half ihm tatkräftig beim Aufbau der Reformierten Kirchgemeinde Mellingen und Umgebung, arbeitete in der Kirchenpflege, war in der Baukommission des ref. Pfarrhauses, wirkte jahrzehntelang im Kirchenchor mit.
Nach der Schulzeit durfte der Verstorbene eine vierjährige Lehre als Schriftsetzer bei Albert Rymann, dem damaligen Verleger des "Reussbote" absolvieren. Nach kurzer Weiterbildung in der Buchdruckerei Effingerhof in Brugg zog es ihn dann in die Fremde. Von 1912 bis 1914 wirkte er zusammen mit weiteren Deutschschweizern in einer grossen deutschen Buchdruckerei in Rom, wo vorab Werke für die vatikanischen Museen verlegt wurden. Das weckte sein Interesse an Büchern, Kunstwerken und Museen.
1914 wurde ihm von daheim die Übernahme der "Reussbote"-Druckerei angeboten. Mit wenig Geld, ausgerüstet mit grosser Schaffenskraft und enormem Tatendrang, wagte der erst 23-Jährige den grossen Schritt.
Kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges, am Bettag 1914, verehelichte er sich auf dem Wesemlin in Luzern mit der jungen Freiämterin Ida Stutz. Eine starke Bewährungsprobe wartete auf die beiden: als Militärtrompeter des Schützen-Bat. 5 musste er bald schon an die Grenze im Jura, während seine junge Ehefrau daheim zusammen mit einem Lehrling das Geschäft und die Zeitung weiterführte.
In seiner Gattin fand er eine ideale Ergänzung: seinem voran strebenden Wesen setzte sie Ruhe und Einfühlungsvermögen entgegen, trat selbstlos in den Hintergrund, wenn die Gemeinde und Vereine auch seine Freizeit beanspruchten.
Seine Interessen lagen vielseitig; eine grosse Schaffenskraft war ihm eigen. Vor allem war er begeisterter Musikant und wusste andere dazu zu begeistern. Er bildete sich in Kursen weiter aus zum Dirigenten und leitete die Stadtmusik während 29 Jahren. Erst als der Atem kürzer wurde, legte er nach 70jähriger Mitwirkung mit Wehmut sein Instrument zur Seite. 1917 gründete er die Musikgesellschaft Wohlenschwil, die er 10 Jahre lang leitete. Als Ehrendirigent blieb er ihr verbunden. Daneben bildete er auch die Jungmusikanten aus, was ihn zeitlich sehr belastete. Er forderte viel von sich selbst, aber auch von seinen Musikanten.
Seine sechs Kinder erzog er mit grosser Strenge, jedes musste in der Freizeit schon früh im Geschäft mithelfen. So weckte er in seinen vier Söhnen die Freude und das Interesse am väterlichen Beruf. Mit Stolz verfolgte er ihren beruflichen Weg. 1962 konnte er das Geschäft seinem jüngsten Sohne Alfred übergeben.
Trotz seiner enormen beruflichen und öffentlichen Beanspruchung fand er immer wieder Zeit zu Bergtouren, für das Skifahren, das Schiessen, für Studienreisen ins Ausland. Während dreier Amtsperioden im Gemeinderat betreute er das arbeitsreiche Bauwesen, sorgte für die Erhaltung des Hexen- und Zeitturmes, war von 2942 bis 1981 Aktuar der Brunner-Hüsser-Stiftung, von 1947 bis 1972 Kassier des Jugendfürsorgevereins des Bezirks Baden, gehörte zusammen mit Bezirkslehrer Hunziker zu den Gründern der Vereinigung für Heimatkunde des Bezirks Baden im Jahre 1938, deren Kasse er bis 1970 betreute.
Im geschäftlichen Ruhestand blieb ihm endlich genügend Zeit für sein grosses Hobby: die Geschichtsforschung. Unermüdlich suchte er die Vergangenheit "seines" Städtchens zu erforschen, schaffte das Ortsmuseum im Zentrum, setzte sich ein für die Erhaltung der Kunstgüter, ordnete die Pfarreiarchive in Oberrohrdorf, Wohlenschwil und Mellingen, suchte durch Führungen in der Bevölkerung Interesse und Liebe zum Erhaltenswerten zu wecken und betreute gewissenhaft "seine" Uhr. Mühsam stieg er noch mit 91 Jahren die vielen Treppen hoch in seinem urm. Dort war sein geliebtes Refugium. In Wohlenschwil setzte er sich für die Restaurierung der alten Mühle, die sein Stolz war.
Dann kamen auch für ihn jene Jahre, die ihn zur letzten Reife führen sollten. Die Folgen einer Operation zeigten sich im langsamen Kräftezerfall. Vor zehn Monaten kam der plötzliche geistige und körperliche Zusammenbruch, der schmerzliche Loslösungsprozess. Man spürte sein inneres Aufbäumen und Rebellieren, Tag und Nacht ans Bett gebunden zu sein, abhängig zu sein von den Angehörigen. Doch immer stiller und ergebener fügte er sich dem Willen eines Höheren, liess sich klaglos pflegen.
Am Montagnachmittag, dem 16. April 1984, löschte sein Lebenslichtlein wie eine Kerze langsam aus. Frieden und Abgeklärtheit strahlten aus seinen Zügen. Nun hat der rastlos Tätige seine Ruhe in Gott gefunden. Wir danken ihm für all das, was er uns zeitlebens geschenkt hat.
Bild-Nr.: Albert Nüssli-Stutz
Bild: Gedenkschrift über Albert Nüssli
Text: Alois Ender, Resignat; aus Gedenkschrift
Copyright: Familie Nüssli
Heute, am Karsamstagmorgen, sind wir in diesem Gotteshaus versammelt, um unserem geschätzten Ehrenbürger, Herrn Albert Nüssli, die letzte Ehre zu erweisen. Nach einem treu erfüllten und arbeitsreichen Leben hat Albert Nüssli am letzten Montag, dem 16. April von seiner lieben Gattin, von seinen Söhnen und Töchtern und von uns allen Abschied genommen.
Mellingen ist um eine verdienstvolle, markante Persönlichkeit ärmer geworden.
Vater Nüssli verfügte über viele Qualitäten, Eigenschaften und Begabungen, die er nicht für sich behielt, sondern der Gemeinde zur Verfügung stellte. Sein vielfältiges Wirken hinterlässt sichtbare und bleibende Spuren. Albert Nüssli war nicht nur Verleger und Redaktor und Herausgeber des "Reussbote". Für Mellingen war er mehr: Er war Journalist, Politiker, Lokalhistoriker und Musiker dazu und erst noch ein guter und gerechter Familienvater.
In den Jahren 1906 bis 1910 absolvierte er bei der damaligen Druckerei Rymann in Mellingen eine Schriftsetzerlehre. 1914 konnte er diese Druckerei käuflich erwerben und führte sie mit Erfolg weiter, bis sein jüngster Sohn Adolf die Führung übernahm. Aus der damaligen Anfangszeit hat mir mein Vater öfters über diesen intelligenten und weltoffenen Mann, Albert Nüssli, erzählt; denn mein Vater, von Beruf Schriftsetzer, war eine Zeitlang einer seiner Mitarbeiter.
Mitten in den Kriegsjahren, am 2. Mai 1942, wählten ihn die Mellinger Stimmbürger zum Gemeinderat und anschliessend gleich zum Vize-Ammann, als Nachfolger von Tierarzt Dr. Alfred Schoechli.
Als er im Jahre 1953 von seinem Amte zurücktrat, durfte er als Vorsteher des Bauwesens auf eine arbeitsreiche Zeitepoche zurückblicken, in der er dem Mellinger Stadtbild den Stempel aufdrückte. So setzte er sich ganz wesentlich für die Restauration und den Aufbau der Kunstdenkmäler Hexenturm und Zeitglockenturm ein.
Zu ganz grossem Dank verpflichtet sind wir dem Verstorbenen für das Sammeln der historischen Werte, die er im Zeitglockenturm archivierte und ihn zum kleinen Mellinger-Museum ausbaute. Wer bei einer seiner Turmführungen dabei sein durfte, war über sein reiches Wissen über die Geschichte unserer Stadt beeindruckt. Hier sind Hunderte von erhaltenswerter Gegenständen inventarisiert und bezeichnet. Für dieses einmalig historische Gut hat Albert Nüssli sein Wissen, seine Kraft und seine ganze Liebe eingesetzt. Wir sind ihm dankbar über das, was er uns und der kommenden Generation überlässt.
Auch für das Wohl der Jugend zeigte er Verständnis. So führte er für die Vereinigung für Jugendfürsorge während 25 Jahren das Kassierwesen.
Im kulturellen Leben fand er seinen Höhepunkt anlässlich des kantonalen Musikfestes vom Jahre 1947, das in Mellingen stattfand. Als Dirigent der Stadtmusik führte er damals den Dirigentenstab bei der imposanten Gesamtchoraufführung, wo Hunderte von Bläsern mitwirkten. Es ist wohl einmalig in der Geschichte eines Musikvereins, diesem während 70 Jahren anzugehören, und davon 30 Jahre als souveräner Dirigent - unserer Stadtmusik.
Seine guten Dienste stellte er auch den beiden Kirchgemeinden zur Verfügung. Einige Jahre als Mitglied der reformierten Kirchenpflege und der katholischen Kirchgemeinde ordnete und organisierte er das Kirchenarchiv.
Als Dank für sein uneigennütziges Schaffen als Behördenmitglied, als Kämpfer für die Erhaltung der historischen Kunstdenkmäler und als Errichter und Betreuer unserer Sammlung im Zeitturm verliehen ihm und seiner Gattin am 20. Dezember 1957 die Mellinger Ortsbürger der Ehrenbürgerrecht.
Liebe Frau Nüssi, liebe Trauerfamilien, ein gesegnetes und arbeitsreiches Leben hat damit seinen Abschluss gefunden. An der Bahre dieses lieben toten Mitbürgers drängt es mich zu danken. Zu danken dem lieben Verstorbenen für sein vielseitiges Wirkn zum Nutzen seiner Mitbürger.
Aber auch Ihnen, liebe Frau Nüssli, möchte ich für Ihr grosszügiges Verständnis, das Sie unserem lieben Freund als Unterstützung geliehen haben, danken.
Im Namen der Behörden und der ganzen Gemeinde entbiete ich Ihnen mein herzliches Beileid.
Bild-Nr.: Albert Nüssli-Stutz
Bild:
Text: Hans Peterhans, Gemeindeammann, aus Gedenkschrift
Copyright: Familie Nüssli, Gedenkschrift