1946 - 650 Jahre Stadt Mellingen mit Jugendfest
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Festansprache
Von Stadtammann, Grossrat Marin Frei
Verehrte Festgemeinde!
Liebe Schüler!
Mellingen feiert heute nach einem Unterbruch von 13 Jahren sein Jugendfest. Die lange Pause, die da eingeschaltet wurde, verrät, dass Jugendfeste in unserer Gemeinde nicht etwas Alljährliches, sondern etwas ganz Ausserordentliches sind. Wir feiern selten; wenn in dieser Sache schon etwas gemacht wird, dann ist es ein Ortsfest eigener Prägung, eine Gelegenheit, wo alles sich findet, und mitmacht ohne Unterschied von Stand, Konfession oder Partei. Ein Volksfest im wahrsten Sinne des Wortes. Und wenn, wie heute, es ein Doppelfest ist: Geburtstag unserer Stadt und Fest unserer Jugend, dann wahrlich Grund genug zu wahrster Freude!
Jugendfest! Wenn ich vor mir die frohen Gesichter der Schüler und leuchtenden Augen der Kleinen betrachte, weiss ich, dass sie vom heutigen Tag etwas Besonderes erwarten. Jugendfest ist nicht nur Betitelung, sondern der ganzen Aufmachung nach, das Fest der Jugend. Wirklich, Ihr habt Grund zur
Freude; dieser Tag ist für Euch bestimmt. Schon seit Wochen haben Eure Eltern, Lehrer, Behörden und Vereine alles darangesetzt, damit Ihr heute auf Eure Rechnung kommt.
Nun ist dieser Freudentag für Euch angebrochen. Im schönsten Sonnenglanze hat sich alles auf- und herausgeputzt, die Natur, die ganze Festgemeinde.
Wenn wir in dieser frohen Stimmung uns überlegen und unsere Gedanken für einen kurzen Augenblick über unsere Landesgrenzen wandern lassen in jene Gebiete, wo in den letzten Jahren Krieg und Verwüstung und heute der Hunger hereingebrochen sind, wo die Jugend, - Eure Altersgenossen – ihrer Eltern und Heimat entfremdet, Schwerstes leiden, dann kommt uns so eindringlich zum Bewusstsein, es könnte auch bei uns so sein, wenn unser Volk sich nicht verstanden und Eure Väter die Grenzen unseres Vaterlandes während der letzten Kriegsjahre nicht in treuester Pflichterfüllung geschützt hätten.
In Frieden und Freiheit dürfen wir heute leben und Feste feiern. Ihr, liebe Kinder, könnt sprechen: wir sind jung und das ist schön. Ihr könnt es leben, seid Ihr doch beständig umsorgt von Euren lieben Eltern
und gehütet durch Eure Vorgesetzten, die Euch helfen den Weg bereiten für eine schöne verheissungs-volle Zukunft. Kostet sie, die schönen, reinen Freuden der Jugend in vollstem Masse.
Wer sich in glücklicher Lage befindet, vergisst leicht zu danken denen gegenüber, die ihm zu diesem Glücke verholfen haben. So wollen wir nicht handeln. Dieses hohe und teure Gut des Friedens dürfen wir nicht als eine Selbstverständlichkeit hinnehmen, sondern wir wollen als gläubige Christen in erster Linie unserem Herrgott danken, dass er uns während den verflossenen Jahren vor den Schrecknissen des Krieges bewahret und uns eine gesunde Jugend erhalten hat. Danken wir auch unseren Behörden, die in schwerster Zeit alles unternommen haben, um unserem lieben Heimatland den Frieden zu erhalten.
Im Augenblick der Freude auch danket den Eltern, die für Euer leibliches Wohl tagtäglich besorgt sind, danket Euren Lehrern und geistlichen Erziehern, die Euch Wissen und Herzensbildung beizubringen suchen, damit Ihr einst als vollwertige Menschen treue Glieder unserer Gemeinde und des Vaterlandes werdet. Danket aber auch all jenen, die in wochenlangem Fleisse uneigennützig alles geleistet haben, um Euch, liebe Schüler und Schülerinnen, diesen schönen Tag zu bereiten. Mit diesem Dank an Gott und die Mitmenschen beginnt den heutigen Tag in Freuden und lebt und schliesset ihn am Abend im gleichen Geiste, damit er Euch zeitlebens in schönster Erinnerung bleibe.
„Volksblatt“, Baden, 3. Juli 1946
Bild-Nr.: SF 01104
Bild: Fotoarchiv-Mellingen
Text: Fotoarchiv-Mellingen
Copyright: Fotoarchiv-Mellingen
Es stehet in der Stadtchronik geschrieben:
Als man von der Geburt Christi das 1045. Jahr zählte, da erhob sich nahe dem Flusse, der da heisset Rüss, ein uralt Kirchlein, und es lag daneben die Fähre, die den fremden Kauf-fahrer, den Ritter und sein Ross und den Pilgerim hinüber setzete ans andere Ufer. Das hiess des Trostbergers Zwing, der lag im Gaue von Zürich. Und es stand da ein Turm, der schützete die Gegend und hiess der Iberg. Und war der Herr, dem das alles gehörte, von Lenzburg Graf Ulrich. Der war ein frommer und wiser Mann, der vergabte Mellingen dem Kloster zu Schännis, das lieget im Lande Gaster zwischen den Seen von Weesen und von Rapperswil.
Und weiter lesen wir in der Stadtchronik:
Im 1242. Jahre, als Graf Hartmann von Kiburg das Land regierte, stand da eine Stadt, die lag hart an dem Flusse, hohe Mauern schlossen sie ein und starke Türme schirmten die Tore. Von denen wies eines gen Lenzburg, das andere gen Brugg und dritte zur Brücke, die aus starkem Holz über die Rüss geleget war. Ein kleines Törlin führte nahe bei der Kilchen an Ibergs Hof vorbei, dann kam man nach Tägerig. Man weiss nit genau, wann die Stadt erbauet worden, noch wer den Plan gezeichnet. Doch stand da ein gar stattlich
wehrhaft Hus, das nennt man noch hütigenTages die Gräfinnenmur. Allda soll gewohnet haben des letzten Kiburgers ehelich Wib Elisabeth und dero Tochter Anna, die hernach den Grafen Eberhard von Habsburg und von Laufenburg geheiratet. Und es lebte da manch edler Mann, dessen Namen die Chronik rühmlich nennet: Rudolf
Der Segenser, Johann von Tintikon, Johann von Iberg, Johann von Leerau, Johann Bitterkrut und Peter der Leutpriester.
Und abermals lesen wir im Buche von der Mellinger Bürgerschaft:
Im Jahre 1296, am Ende des Wintermonats,schenkte uns Herzog Albrecht von Oesterreich, König Rudolfs Sohn, das Stadtrecht. Der Brief, der darüber geschrieben, liegt in der Stadt-kisten wohl verwahret. Er lautet, aus der lateinischen Sprache übersetzt, also:
„Wir Albrecht, von Gottes Gnaden Herzog von Oesterreich und Steiermark, Graf von Habsburg und Kiburg, sowie Landgraf im Elsass, beurkunden hiemit für jedermann in Gegenwart und in Zukunft, dass wir nach rifer Ueberlegung beschlossen haben, unsern treuen Bürgern von Mellingen, deren Gehorsam und Ergebenheit uns gegenüber wir wohl kennen und die unsere Gnade vielfältig verdienet haben, dieselben Rechte und Freiheiten zu erteilen, in denen Genuss unsere Bürger von Winterthur durch ihre Privilegien bereits stehen. Sie sollen in allen Gerichtssachen, Geschäften oder öffentlichen Streitfällen die gleichen Vorrechte geniessen. Zur Bezeugung dieser Tatsache und um die Wahrheit dieser Urkunde zu bestätigen, haben wir diesen Brief zu schreiben befohlen und ihm unser Siegel
anhängen lassen. Erteilt in Linz, am Vor abend des Tages des heiligen Apostels Andreas, im Jahre des Herrn ein Tusend zween Hundert sechs und nünzig.“
Und es hat hernach unser Schultheiss, Herr Hugo von Schännis, einen Boten gesendet nach Winterthur, das da liegt an der Töss, an der Strassen, die führet nach Sankt Gallen und in den See von Konstanz. Allda haben die Rät ihre Briefe kopieret und uns die Satzungen geschicket, die Bruch und Sitte sind in ihren Muren. Der Brief, der darüber berichtet, ist in unserm Rathause nit mehr zu finden, doch habe ich in Winterthur die Sache erforschet und will hier setzen, was ich gefunden:
„Zu wissen allen, dass der hochgelobte Fürst,unser Herr, Herzog Albrecht von Oesterreich, den ehrbaren bescheidenen Lüten, den Bürgern der Stadt Mellingen, mit seinem Briefe grosse Gnade erwiesen hat. Sie und ihre Nachkommen, die in der Stadt wohnhaft sind, erhalten alle Gnaden, Freiheiten und alle Rechte, die uns des Herzogs Vater und andere seiner Vorfahren dereinst geschenket. Auf deren Wunsch erteilen wir den Bürgern von Mellingen eine Abschrift unserer Briefe und alten Gewohnheiten und hängen daran das Siegel unserer Stadt.
Wir, Graf Rudolf von Habsburg entbieten allen Gottes Getreuen, zu denen diese Schrift kommt, unsern Gruss! Damit man hoher Herren Gesetze nicht vergesse, erdachten die Weisen die Schrift.
Das ganze Gebiet innerhalb des Friedkreises soll in Zukunft und für ewige Zeiten das Marktrecht erhalten.
Niemand soll anderswo vor Gericht gefordert werden als vor uns und unsere Nach-kommen, sowie den Schultheissen in Gegenwart der anderen Bürger.
Zum Schultheissen oder Ammann wählen wir nur einen Bürger.
Wer einer Missetat angeklagt ist, soll durch öffentliches Bürgergericht seine Schuld
oder Unschuld erfahren.
Alle im Friedkreise Angessenen, Mann und Wib, Sohn und Tochter, können hier oder andern Orts ehelichen, wer ihnen gefällt.
Die Kirche soll nur einem Priester verliehen werden, der sich mit einem Eid verpflichtett, dass er hier wohne.“
Es soll auch in der Chronik unserer Stadt zu Mellingen erwähnt sein, dass unser dama-liger Herr, Herzog Albrecht von Oesterreich zwei Jahre nach dem er uns das Stadtrecht verliehen, 1298 also, von den Kurfürsten zum deutschen König gewählet, aber zehen Jahre später an der Rüssfähre bei Windisch ermordet worden. Man bauete ein gar stattlich Kloster daselbst, das heisset Königsfelden.
Was hernach noch geschehen bis hüttigen Tags will ich nur kurz vermelden und nit witer dabei verwilen.
Im 1386. Jahre nach Christi Geburt zogen auch unsere tapferen Mannen us, dem Herzog Leopold von Oesterreich in Treue zu dienen. Hans Burckheim, der Schultheiss, führete sie. Aber es war ein grosses Sterben bei Sempach, gar mancher Bürger ward erschlagen und kehrte nimmer von der Walstatt. Unser Fähnlein ging an die von Luzern verloren.
Als zu Konstanz 1415 das grosse Konzilium tagete und darob unter den Fürsten ein Strit usbrach, da eroberten die Eidgenossen den Ergäu und es lagen vor Mellingen, der Stadt, drei Tage lang die von Zürich und die von Luzern. Das war nach Mitte Aprillen, des 18. Und es liess der Rat weil doch keine Hilfe kam, am Sonntag darauf die Tore öffnen. So wurde Mellingen, das nahezu 150 Jahre treu dem Hause Habsburg und den Herzögen von
Oesterreich gedienet, den Eidgenossen untertan. Denn der Kaiser, der schon an Johannes Hus, dem gottgläubigen Böhmen, sein Wort gebrochen, er hielt es auch nit an Mellingen, und unsere Stadt ward von ihm nach dreien Monaten an Zürich verpfändet.
Gross Unglück traf Mellingen im Jahr 1505. Im Buch der Stadt finden wir darüber verzeichnet:
„Als man von der Geburt Christi, unseres Erlösers, das 1505. Jahr zählte, ward in der Nacht auf den Sankt Verenatag die Stadt Mellingen von dem hiesigen Bürgerssohn Ruedi Stalder angezündet und verbrannt. Drei Wochen später wurde derselbe Ruedi Stalder in Zofingen wegen Diebstahl gefangen genommen und dann, auch wegen anderen Übeltaten, die er ohne Reue gestand, durch Urteil nach kaiserlichen Rechten gerädert, gehängt und verbrannt.“
Unsere Stadt ward aber mit viel Hülf von auswärts neu erbauet. An den Toren und Türmen und Muren war zwar kein gross Schaden geschehen, auch die festen Hüser und die Kilchen standen noch. Zu der Zit des grossen Brandes war Johannes Frey Bürger-meister, der traget ein Einhorn im Wappen.
Auf der anderen Siten der Rüss, an der Strassen, die zu Sankt Ulrich in den Reben und zur Hohlen Gassen und witer gen Baden und Zurzach führte, stand des Dachselhofers Hof, genennet die Hünegg, und es lagen am Wasser die Mühlinen und nit wit von der Brücken ein niedlich Schützenhüslin.
In den grossen Zügen über die Alpen ins lombardische Italien, da zogen auch die von Mellingen mit, die hab ich als Bueb noch gesehen, mit dem roten Fähnlin und der wissen Kugelen darinnen. Bei Padua am Tessinfluss erstiegen sie als erste die hohen Muren. Dafür schenkte ihnen der Papst Julius einen Bannerbrief, der in der Stadtkisten ufbewahret lieget. Zu der Zit, 1512, war Johannes Butterberg Schultheiss und Hauptmann. Unsere Mannen und Burschen kämpften auch in der grossen Schlacht bei Novara mit, in der
die Franzosen und die schwäbischen Landsknechte geschlagen wurden, und sie zogen
auch us gen Dijon in Burgund und lagerten dort vor der Stadt.
Und damit schliesset das erst Buch, in dem ufgezeichnet sind die Geschichten unserer Stadt zu Mellingen.
Der Himmel strahlet so hell über der Stadt, und gen Mittag, dort wo die Rüss herkommt, stehen die Mithen und die anderen Berge bei den Seen, an deren Ufer die Friheit unseres Vaterlandes erblühete, just in jenen fernen Tagen, da Mellingen zur Stadt erhoben ward.
Otto Hunziker - „Lenzburger Zeitung“ 6. Juli 1946
Bild-Nr.: SF 01106
Bild: Fotoarchiv-Mellingen
Text: Otto Hunziker,erschienen in der Lenzburger Zeitung am 6.7.1946
Copyright: Fotoarchiv-Mellingen
Die historischen Gruppen des Feldzuges
(Die Bürger und Bürgerinnen - Teil der Gruppe 1)
Es ist eine seltene Gelegenheit, dass der Bevölkerung eines Ortes in lebendigen Bildern einzelne Episoden seiner Geschichte gezeigt werden können. Wem die Aufgabe des Aufbaues eines Umzuges zuteil wird, der muss nicht nur mit dem historischen Geschehen vertraut sein, er hat auch auf Farben und Stimmungsmomente zu achten, und Wahrheits-treue oder doch grösstmögliche Wahrscheinlichkeit alles Dargebotenen soll ihm Grund-regel sein. Dass bei dieser Auffassung kein Platz für süsse Allegorien oder gar künstlich aufgebaute Wagen vorhanden ist, mag einleuchten. So sollte eigentlich jede der Gruppen im Beschauer den Eindruck erwecken, als marschiere sie direkt aus der Tiefe der Jahr-hunderte zum Mellinger Stadtjubiläum auf. Selbstverständlich konnte aus der Fülle der örtlichen Historie nur eine beschränkte Auswahl getroffen werden, Wesentliches und
Würdiges.
Lassen wir in Gedanken die acht Gruppen des Umzuges „650 Jahre Stadt Mellingen“ an uns vorüberziehen. Erfreue sich das Auge an der Buntheit der Bilder, doch auch die uniforme Kraft einzelner militärischer Abteilungen kann auf uns von eindringlicher Wirkung sein.
1. Gruppe: Drei Ritter mit je zwei Begleitern bilden die Spitze. Um 1100 ein Graf von Lenzburg, erster Herr Mellingens, um 1200 als Vertreter des Gründer-Geschlechtes ein Graf von Kiburg und um 1300 ein Habsburger Graf, Herr zur Zeit der Stadtrechts-verleihung.Turnierdecke, Panzerhelm und Topfhelm verlebendigen ein Bild aus einer mittelalterlichen Liederhandschrift. Zwei berittene Edeldamen, die Bewohnerinnen der „Gräfinnenmur“, die Pferde von hübschen Pagen geführt, lenken unser Sinnen abermals in die grosse Zeit des 13. Jahrhunderts zurück. Der Schultheiss mit der gerollten Urkunde in der Hand schreitet einigen Bürgern und Bürgerinnen voran, ein paar Kinder trippeln nach.
2. Gruppe: Vom Bürgermeister geführt marschieren Mellinger Männer, mit Kurzspiessen bewaffnet, und flatternden Fähnlein, im weissen Felde die rote Kugel und der lange rote Schwenkel darüber, Luzern zu. Ob Sempach geht 1386 die österreichische Ritterschaft zugrunde.
3. Gruppe: Ein paar Jahrzehnte sind verflossen. 1415 wird der Aargau erobert, auch Mellingen öffnet seine Tore, denn der ferne Herzog Friedrich kann nicht helfen und die Reichsfreiheit, die der Kaiser versprochen, wird nutzlos sein. Eidgenossen der acht alten Orte mit den nun allgemein eingeführten Halbparten als Waffen begleiten ihre Banner.
4. Gruppe: Das Schützenfest vom Ende des 15. Jahrhunderts bringt die gemütsvolle Note in den Umzug. Armbrüste und Büchsen sind nun die neuen Waffen geworden, die zu redlichem Wettstreit geschultert getragen werden. Volk läuft mit, ein Lautensänger bringt Stimmung, Liebespaare tänzeln einher. Scholaren, fahrende Schüler, folgen dem frohen Treiben. Mellinger Studenten wanderten damals bis weit nach Schlesien hinein den hohen Schulen nach.
5. Gruppe: Das restliche Getriebe greift sogar auf das Gebaren und die Kleidung der Soldaten über. Buntscheckig sind die Gewänder, scheinbar zu lang die Spiesse. Dem Klang der Trommeln nach ziehen sie anno 1512 über den Gotthard und die Bündner Pässe nach Pavia, ein Jahr später nach Novarra. Es ist eine der stolzesten Perioden der Schweizergeschichte, doch sie wird zum Wendepunkt. Der Spiess, 18 Fuss lang, der den Kriegsruhm der Eidgenossen als erstes Fussvolk Europas begründet, erliegt in Oberitalien den Geschützen und Handfeuerwaffen der Franzosen. Von gewaltiger Grösse sind auch die mitgetragenen Fahnen. Das Juliusbanner der Stadt Mellingen, ein rotes Tuch mit weisser Kugel, misst 2,13 Meter in der Höhe und 2,35 Meter in der Länge. ImUmzug wird eine vereinfachte Kopie des im Landesmuseum zu Zürich aufbewahrtes Original gezeigt, dazu auch ein Schweizerbanner mit dem damals üblichen, bis an die Ränder führenden Kreuze.
6. Gruppe: Mit der Niederlage bei Marignano, südwärts Mailand, bricht das lärmende, aufdringliche, allzu selbstbewusste Treiben jäh ab. Es folgt die Einkehr, die Besinnung. Am Neujahrstage 1519 beginnt in Zürich die Reformation. Am 2. Januar 1528 zieht Ulrich Zwingli mit nahezu 100 Gelehrten und Prädikanten aus der Ostschweiz und aus Süddeutschland von 300 bewaffneten Kriegsknechten und dem Stadttrompeter von
Zürich begleitet, zur Disputation nach Bern. Vom Heitersberg her erreicht der Zug Mellingen. Im „Hirschen“ nimmt Zwingli mit seinen Leuten einen Imbiss ein.
7. Gruppe: Die Zeit ist um ein weiteres Jahrhundert vorgerückt. Wirren im eigenen Lande drohen, die gnädigen Herren haben den Bauern die alten verbrieften Rechte weg-genommen, ihn lediglich zum Steuerzahler degradiert. Im Entlebuch und im Emmental erheben sie sich. Klaus Leuenberger wird Bauernobmann. Vor den Toren Mellingens fällt die Entscheidung. Über den Heitersberg zieht das Heer der Regierungs-truppen an
die Reuss hinunter, General Werdmüller von Zürich führt die wohlausgerüsteten Soldaten, ein paar Kanonen werden mitgeschleppt. Das Städtchen ist Hauptquartier. Die Bauern, schlecht bewaffnet und ungeordnet, erliegen im Gefecht bei Wohlenschwil. Es ist die Zeit der Heuernte, und man zählte nach Christi Geburt das 1653. Jahr.
8. Gruppe: Doch die Ideen von Volksfreiheit leben weiter, auch der bestgedrillte Soldat kann auf die Dauer dagegen nicht mehr aufkommen. Das Patriziertum zerfällt. In Frankreich bricht die grosse Revolution aus, die Garde des Königs, in roten Röcken und weissen Hosen, trotz Feuersteinschlossgewehr und aufgestecktem Bajonett, unter- liegt dem Sturm der Menge. Ehre und Treue! Das Löwendenkmal zu Luzern erinnert an die Gefallenen von 1792. Je und je sind auch die Mellinger in fremde Kriegs-Dienste gezogen, im 16. Jahrhundert ist sogar in der Hünegg, dem heutigen „Rosengarten“, ein eigentliches Werbebureau eingerichtet. Dessen Inhaber, Jakob Fuchsberger, fällt als Söldnerhauptmann im Kampfe gegen die Hugenotten. Hans Arnold Segenser führt bei Meaux eine Kompanie. Die Gruppe der Gardisten möge all den Ausgezogenen, die fern ihrer Heimat, doch stets als Schweizer, ihr Grab gefunden, zum Andenken dienen.
Es soll zum Schluss nicht unerwähnt bleiben, dass sämtliche Kostüme und Waffen von der Firma J. Louis Kaiser A-G in Basel geliefert wurden. Das Sempacher Fähnlein, das Juliusbanner, sowie die Fahnen der Bauern und der Schweizergardisten wurden in Mellingen angefertigt.
Otto Hunziker
„Der Reussbote“ 28. Juni 1946
Bild-Nr.: SF 01107
Bild: Otto Hunziker
Text: Otto Hunziker
Copyright: Fotoarchiv-Mellingen
650-Jahrfeier von Mellingen an der Reuss
Das aargauische Städtchen Mellingen konnte dieser Tage das 650-jährige Jubiläum der
Verleihung der städtischen Privilegien durch den König Albrecht von Habsburg feiern, der ihr im Sommer des Jahres 1296 die gleichen Rechte zuerkannte, wie sie der Stadt Winterthur im Jahre 1264 durch den Vater Albrechts, den ehemaligen Grafen Rudolf von Habsburg gegeben worden waren. In Wirklichkeit ist das Stadtrecht von Mellingen aber noch älter, denn schon1242, noch unter der Herrschaft der Grafen von Kiburg wird sie „civitas“ bezeichnet und 1247 besass sie bereits einen eigenen Schultheissen. Die Witwe des letzten Grafen von Kiburg, Anna, verkaufte das Städtchen 1273 an Rudolf von Habsburg, der es mit seinen übrigen Hausgütern im Aargau vereinigte, bis ihr sein Sohn
Albrecht die Selbständigkeit verlieh. Immerhin blieb Mellingen dem Hause Oesterreich zur
Heerfolge verpflichtet, und seine Bürger bluteten am Morgarten wie in Sempach unter dem Banner Habsburgs. Erst mit der Eroberung des Aargaus, 1415, kam auch Mellingen unter die Herrschaft der Eidgenossen und focht in deren Reihen sowohl im Burgunder- und Schwaben-Krieg, wie später auch in den italienischen Feldzügen mit. In den Reformations-fehden, im Bauernkrieg 1653 und im Villmerger Krieg erlebten die Bewohner Mellingens manche bange Stunde, da der Ort mehrmals von einer Hand in die andere überging und auch noch vor hundert Jahren, als sich der Aargau über die Klosterfrage erregte, war Mellingen der Schauplatz stürmischer Tagungen. Ferner muss der schweren Heim-suchungen durch mehrere verheerende Stadt-Brände gedacht werden, so in den Jahren 1291, 1380, 1386, 1421 und 1505. Es muss deshalb als ein Wunder bezeichnet werden, dass das Städtchen trotzdem seinen altertümlichen Charakter bewahrt und eine Anzahl sehr alter Gebäude bis in die Gegenwart hinübergerettet hat. Viel zu reden gab vor zwanzig Jahren die Beseitigung der schönen, alten Holzbrücke, die als Verkehrshemmnis der modernen Zeit weichen musste, hingegen ist die zweite ähnliche Forderung, auch den malerischen Obertorturm dem Verkehrsmoden zu opfern, glücklicherweise nicht durch-gedrungen, seine Gefährdung hat im Gegenteil dazu geführt, dass er in die schutzwürdigen Baudenkmäler aufgenommen und so das schöne, innere Stadtbild nicht verunstaltet wurde. A.K.
Text: „Vaterland“, 2. Juli 1946
Bild-Nr.: SF 01160
Bild: AK Vaterland 2.7.1949
Text: AK Vaterland 2.7.1949
Copyright: AK Vaterland 2.7.1949/Fotoarchiv-Mellingen
Mellingen hat gefeiert - Bericht von Richard Bopp, Pfarrer in Mellingen
im „Volksblatt“, Baden, 3. Juli 1946
30. Juni 1946
Montag morgens 6 Uhr! Wie ein glücklich verschlafenes Kind, das eine Nacht die Wunder der Märchenwelt durchträumt hat, so friedlich und glücklich liegt es da in sei-nem Festschmuck von gestern Sonntag, den 30. Juni. Jugendfest hat man angesagt, auf diesen Sonntag, aber dieses Jugendfest wurde zu einem Bilderbuch der Mellinger Geschichte, wie sie noch kein Jugend-fest und keine Mellinger Jugend erlebt hat. Die strahlenden Kindergesichter der letzten Wochen in verhaltener Erwartung, die Sorgenmienen der technischen und geistigenLeiter, liessen viel erraten. Aber alle Erwartungen wurden restlos erfüllt. – Es ist ein Freuen und Leuchten in aller Augen und Herzen, das noch lange nicht erlöschen wird!
Mit Zapfenstreich am Abend und Tagwacht am Morgen hat die löbl. Stadtmusik die Schönstes und Wertvollstes an diesem Tage beigetragen, den Auftakt gegeben.
In zwei dichtbesetzten Gottesdiensten wurde den Gläubigen gesagt, dass schon zirka 900 Jahre an dieser Stelle ein Kirchlein stand mit einem Tabernakel, der den Segen des heutigen Herz-Jesu-Festes ausstrahlte; und ebenso seit 900 Jahren – ausgehend vom heutigen Apostel-feste – haben die Priester der Kirche hier ihre Aufgabe erfüllt. Ein machtvolles Te Deum gab dem Dank an Gott beredten Ausdruck.
Auf 10 Uhr war eingeladen zu einer Morgenfeier auf dem Festplatz. Herr Stadtammann Marin Frei, zugleich Präsident der Schulpflege, umriss in festlich gewählten Worten die Bedeutung des heutigen Tages. Ein strammer Herold trug in antiker Form mit seiner Diktion die Chronica der gefeierten Stadt zu Gehör. Diese Chronik musste am Nachmittag zu Beginn wiederholt werden, umrahmt von den Langspiessen der Kämpfer von Marignano. Dann ging man heim und versuchte das Kunststück die zappelige Kinderschar für das Mittagessen zu interessieren, das heute für die meisten Kinder eher als Hemmschuh empfunden wurde.
Punkt 2 Uhr ertönten die Fanfaren der Herolde: der glänzende Festzug fing an, sich zu entrollen. Gruppe für Gruppe, in schönster Aufmachung und angenehm distanziert, verliess den Schulhausplatz und durchlief, die Strassen, die von einer vieltausendköpfigen Menge umrahmt waren.
Den strammen Reitern folgte die quitschvergnügte Trippelschar der Kleinkinder – in bescheidener Selbsttaration als Chrut und Uchrut – dann die Kinder der ersten vier Klassen, die Knaben als furchtbar wichtige Küchenchefs und die Mädchen als Kornblumen und Wäschmeitli, oder auch als Vreneli oder Meieli und Hans und Sepp aus dem Volk.
Den Behörden – Stadtrat und Schulpflege mitsamt geladenen Gästen – ging der Herold in den Stadtfarben voraus; die Bannergruppe der Ortsvereine schloss diesen ersten Teil.
Herr Bezirkslehrer Hunziker hatte sich die Aufgabe gestellt, die Geschichte von Mellingen in acht Gruppen darzustellen.Was er in stiller Arbeit als Historiker in all den Jahren zusammen-getragen, das bot er nun in farbensatten Bildern der staunenden Menge zu herrlichster Augen-weide. Für den Kenner der Schweizergeschichte war das eine prachtvolle Geschichtsauf-frischung eindrücklicher Art und für alle Zuschauer ein Bild, das man nicht so schnell vergessen
wird.
Hoch zu Ross kommt der erste Herr der Stadt Mellingen geritten, der Graf von Lenzburg, gefolgt von seinen Nachfolgern, dem Grafen von Kiburg und von Habsburg, begleitet von ihren Damen, ebenfalls zu Pferd. Im Gefolge wanderten unbesorgt aus jener Zeit, in der „man noch Zeit hatte“,
die Mellinger mit ihren Frauen durch die Strassen ihrer Stadt, die gerade für diese Gruppe und auch für die späteren, die einzig richtige Folie waren.
1386 zogen auch die Mellinger nach Sempach an der Seite der Oesterreicher, Kurzspiessträger schützten das Fähnlein, das sie dann in der Schlacht den Luzernern überlassen mussten. Halbartenträger und die Banner der acht alten Orte formten die Gruppe jener, die 1415 den Aargau eroberten.
Die vierte Gruppe zeigte ein Schützenfest Ende des 15. Jahrhunderts. Armbrust- und Büchsenschützen, viel Festvolk umrahmte diese Schar, aus denen ein Lautensänger – leicht und beschwingt wie seine Töne – herausstach. In der 5. Gruppe wurden schon ernstere Töne angeschlagen: es war der Zug zur Schlacht bei Marignano 1515. Die Langspiessträger überragten den ganzen Festzug und gaben ihm ein eigen
düsteres Bild.
Prädikanten und Kriegsknechte begleiteten am 2. Jänner 1528 Zwingli nach Kappel, Zwingli und der Aargauer Bullinger hoch zu Pferd.
1653 kams zum Bauernkrieg; General Werdmüller führt seine Zürcher Mannen, Klaus Leuenberger seine trutzigen Bauern in die Schlacht.
Die letzte Gruppe war auch der Höhepunkt des ganzen Festzuges: die Schweizergarde von
1792 aus Paris. Donnerwetter das war Kultur bei diesen Mannen; sie liessen sich durch die nachfolgende Musik von Fislisbach wohl den Rhythmus geben, ohne dessen Sklaven zu werden. Das war alles so wohlgeordnet, dass selbst der alte Fritz im Jenseits sich auf einen Stock stützte und schieläugig da hinunterschaute und mit einem „Parpleu“ meinte, die hätten auch noch zu
seinen „langen Kerls“ gepasst. Und der alte Zuger Zurlauben hat mit einer Freudenträne im Auge konstatiert, dass seine strenge Zucht auch aus Hirtenknaben vollwertige Grandseigneurs schaffen konnte.
Mit diesen farbenprächtigen und feindurchdachten Gruppen ist Mellingen aus sich selber hervorgetreten. Dem geistvollen Schöpfer dieses Werkes, Herrn Bezirkslehrer Hunziker, ist der Dank der Gemeinde und der vielen Zuschauer sicher!
Auf dem ideal gelegenen Festplatz kam das Jugendvolk voll zur Entfaltung. In wochenlanger Arbeit hatte die Lehrerschaft ein hübsches Programm zubereitet, das in lückenloser Folge sich entwickelte. Der Präsident des Organisationskomitees, Herr Lehrer Schifferli, lenkte mit kluger und starker Hand die Festbegeisterung der grossen Schülerschar, wie auch den Betrieb der grossen Festgemeinde. Und über allem lag ein strahlender Sommertag, wie ihn die kühnsten Optimisten nicht hätten wünschen können.
Mellingen hat gefeiert. Hat gross gefeiert, der Geschichte, der Gegenwart und, so
hoffen wir, einer glücklichen Zukunft würdig. Richard Bopp
Bild-Nr.: SF 01163
Bild: Richard Bopp, Pfr.
Text: Richard Bopp, Pfr.
Copyright: Fotoarchiv-Mellingen