Bis 1650 - Spiel und Tanz - Speis und Trank, Rainer Stöckli

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Bis 1650 - Spiel und Tanz - Speis und Trank

Auf den nachfolgenden Seiten soll versucht werden, über festliche Anlässe in Mellingen in früheren Jahrhunderten zu berichten. Dabei wird nur die Zeit bis 1650 berücksichtigt, weil bloss bis zu diesem Jahr die Akten des Stadtarchivs systematisch aufgearbeitet sind. Allerdings war damals das Angebot an Lustbarkeiten in unserem Städtchen und dessen Umgebung wesentlich geringer als heute. Zudem finden sich in den historischen Texten jener Zeit die Angaben über Festivitäten vielfach nur am Rand verzeichnet. Zeit, um auszuspannen und froh zusammen zu sein, bot sich insbesondere an Sonn- und Feiertagen. Und solche Feiertage gab es früher wesentlich mehr als heute, je nach Jahrhundert 20 bis 30, z.B. an den Apostel- und Marienfesten. Dafür kannte man damals noch keine Ferien.

Neujahrssingen
Früher war das gesellschaftliche Leben stark durch das Kirchenjahr geprägt. So erfreuten am Neujahrstag der Schulmeister und seine Schüler die Bevölkerung mit Liedern. Bei dieser Gelegenheit wurden auch die Mellinger Gerichtsherrschaft Tägerig und das Kloster Gnadenthal, welches mit der Stadt verburgrechtet war, besucht.

Fastnacht
Mehrere Tage dauerten die Lustbarkeiten an den Fastnachtstagen, d.h. an den Tagen vor Aschermittwoch, an welchem die Fastenzeit begann. Der Begriff Fastnacht heisst sinngemäss «an den Tagen vor der Fastenzeit», und ist schon im Spätmittelalter bezeugt, hauptsächlich in der Form von Fastnachtshühnern. Diese Naturalzinsen mussten also vor der Fastenzeit dem Grundherrn abgeliefert werden. Man nimmt an, dass diese Hühner vor dieser entbehrungsreichen Zeit übergeben werden mussten, weil man im Mittelalter in der Fastenzeit praktisch vegan lebte, d.h. man weder Fleisch, Eier noch Milchprodukte geniessen durfte. Ein erster Beleg findet sich in Mellingen 1362. Damals verkaufte Peter von Hünenberg einen Hof in Mellingen-Dorf (Gemeindegebiet rechts der Reuss) ans Kloster Gnadenthal.
Neben vielen andern Zinsen musste auch ein Fastnachtshuhn den Nonnen abgeliefert werden. Allerdings ist nicht belegt, ob schon damals die Tage vor der Fastenzeit mit Spiel, Tanz und Theater begangen wurden. Doch ist anzunehmen, dass sich die Bürger vor den 40 sehr entbehrungsreichen Tagen bis Ostern noch ein frugales Festmahl gönnten. lm Stadtrecht aus der Zeit vor 1450 ist das Fastnachtstreiben aber eindeutig bezeugt. Hier wurde erlassen, dass nach der Herrenfastnacht (Sonntag nach Aschermittwoch) bis zum Auffahrtsfest nicht mehr getanzt werden durfte. Nach der Reformation wurde 1554 in Mellingen ein sogenanntes Fastnachtsspiel aufgeführt und im Druck mit folgendem Originaltitel herausgegeben: «Narrenbeschweren. Ein hüpsch new und kurzweilig spil, wie man narren von einem beschweren soll, gehalten in der Eydgnoschaft, an der herren fassnacht (Sonntag vor Aschermittwoch) zuo Mellingen.» -> siehe Bild.
Dieses teils religiös, teils satirisch geprägte Werk geisselte insbesondere die Missstände der vorreformatorischen Zeit. Autor dieses Werks war der Franziskanermönch und äusserst produktive Autor Thomas Murner (1475 -1537). Dieses Theaterstück erschien erstmals 1512. Das Druckwerk, dass man 1554 für die Herrenfastnacht in Mellingen herausgegeben hatte, wurde bis zum 2. Weltkrieg in der Königlichen Bibliothek in Berlin aufbewahrt; seither ist dieses verschollen. Ein Teildruck davon ist in der Universitätsbibliothek Bern erhalten. Weitere Angaben über dieses Fastnachtsspiel s. Rainer Stöckli. Geschichte der Stadt Mellingen von 1500 bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts, S. 156f.

Der «Zwanzigste Tag» und des «Schultheissen Schenke»
Jährlich fanden in Mellingen 2 Gemeindeversammlungen statt. Die 1. Gemeindeversammlung des Jahres wurde am 13. Januar, d.h. 20 Tage nach Weihnachten, im Rathaus abgehalten. Deshalb die Bezeichnung «Zwanzigster Tag». An dieser Zusammenkunft wählten alle männlichen Bürger die Amtsträger und bestätigten Rechtssatzungen. Nachher wurden sämtliche VersammIungsteilnehmer zu Speis und Trank eingeladen.
Mitte Jahr traf man sich zur 2. Gemeindeversammlung, an der neben den Bürgern auch die Hintersassen teilzunehmen und dem Schultheiss Gehorsam zu leisten sowie den Vlll Alten regierenden Orten Treue zu schwören hatten. Hintersassen waren Stadtbewohner, die aber nicht im Besitz des Bürgerrechts von Mellingen waren.
Am Sonntag nach der Sommergemeinde wurden die Bewohner an des «Schultheissen Schenke», erneut im Rathaus mit einem Festschmaus verwöhnt.
Dieser Anlass hiess so, weil die Einwohner an der Gemeindeversammlung zuvor dem Oberhaupt der Stadt, dem Schultheissen, Gehorsam zu geloben hatten und die Behörden darauf ein feines Essen spendierten und reichIich Wein ausschenkten.

Der hübsche Montag
Nachdem sich die Bürger in der sogenannten Kreuzwoche, den Tagen vor Auffahrt bei mehreren Prozessionen, den sogenannten Bittgängen, in die benachbarten Dörfer intensiv dem Gebet hingegeben hatten, ging es am darauffolgenden Pfingstmontag, dem sogenannten «hübschen Montag», umso fröhlicher zu und her. Dabei wurden auch die Bewohner der umliegenden Dörfer und Städte eingeladen.
1509 bewirtete die Stadt beispielsweise Gäste aus Bremgarten, Baden, Brugg, Lenzburg und Birmenstorf. Am Pfingsmontag wurde jeweils auch ein Jahrmarkt abgehalten. Anfang des 16. Jahrhunderts fanden pro Jahr vier Jahrmärkte statt, im 17. Jahrhundert teils bis zu deren sechs. An diesen Tagen hielten sich vielfach auswärtige Musikanten und Trommler auf. Neben den Marktgängern belohnte meistens der Seckelmeister diese Spielleute mit ein paar Batzen.


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Bild: de.wikipedia/Mellinger Städtlichronik 2019
Text: Rainer Stöckli/Mellinger Städtlichronik 2019
Copyright: Rainer Stöckli/Mellinger Städtlichronik 2019

1550

Spiel und Tanz - Speis und Trank

Essen und Trinken
Bis Anfang des 16. Jahrhunderts wurden die lnhaber öffentlicher Ämter zu einem nicht geringen Teil mit festlichen Essen, die meist im Rathaus stattfanden, entlöhnt. So ist beispielsweise 1494 zu vernehmen, dass für das Essen der Rechnungsherren, d.h. der Rechnungskommission, unter anderem vier Hühner, Zwiebeln, Kalb- und Rindfleisch eingekauft werden mussten. Nicht selten fanden auch Fischmähler statt. So wird im Rechnungsrodel von 1494 vermerkt: «Item 15 Schilling umb win als die richter die visch assend und 17 Schilling umb die visch».
Anfang des 16. Jahrhunderts beschloss man aber, um mehr Übersicht zu gewinnen, die Löhne vermehrt durch Bargeld abzulösen. Trotzdem wurden den Räten immer noch mindestens sieben Ratsessen zugebilligt.
1560 vermerkte der Seckelmeister: Die Ratsherren hätten für das Fischessen im Herbst und an andern Tagen 15 Pfund aufgewendet. Bloss 12 Schilling kostete 1565 ein lmbiss der Räte in der Zollstube. Vermutlich wurde damals die Zollabrechnung geprüft.

Spiel und Tanz
Dass man sich schon seit dem Mittelalter häufig mit dem Kartenspiel vergnügte, geht bereits aus einem mittelalterlichen Gesetzestext aus der Zeit vor 1450 hervor, und zwar in der Form, zu welchem Zeitpunkt diese Lustbarkeiten nicht erlaubt waren. So war es verboten, am Samstagabend nach dem Abendläuten und am Sonntag vor der Messe zu spielen. Das Gleiche galt für die Vorabende sowie die Festtage der Apostel- und Marienfeste sowie am Fest von Johann dem Evangelisten, dem Kirchenpatron Mellingens im Mittelalter, schliesslich generell vor der Alten Fastnacht (Sonntag nach Aschermittwoch) bis Auffahrt. Wer sich nicht daran hielt, bezahlte 1 Pfund Busse. Die gleichen Satzungen sind auch noch im Stadtrecht von 1624 festgehalten. Allerdings war damals eine Busse von 2 Pfund zu entrichten. Wenn ein Unwetter drohte, versuchte man mit dem sogenannten Wetterläuten einen allzu grossen Schaden von der Gemeinde fernzuhalten. Auch in dieser Situation war das Kartenspiel verboten. An all den hier genannten Tagen und während des Wetterläutens war auch das Tanzen untersagt. Eifrig getanzt wurde an den Fastnachtstagen. Es ist anzunehmen, dass das Erdgeschoss des Rathauses als Tanzlokal diente.

Auswärtige Musikanten, Trommler und Sänger
ln den Stadtrechnungen des 16. Jahrhunderts ist mehrmals vermerkt, der Seckelmeister habe an verschiedenen Veranstaltungen den auswärtigen Unterhaltungskünstlern einige Batzen aus der Stadtkasse zukommen lassen.1546 waren Sänger aus Bremgarten zu Gast. 1560 erhielten Musikanten aus Zug sechs Schilling. 1565 wurden Tambouren von Zürich, Brugg und Freiburg ein paar Batzen verabfolgt. 1567 hallten die Klänge eines Aarauer Tambouren und 1581 von drei Zuger Trommlern durch die Gassen. lm selben Jahr unterhielten auswärtige Spielleute (Musikanten) an der Kirchweihe, d.h. am Sonntag nach dem Martinsfest (11. November), die Bürger.
Von Mellinger Pfeifern ist nur 1550 die Rede.

Schützenfeste
Obwohl schon in der «Städtlichronik 2015» ausführlich über das Schützenwesen berichtet wurde, sei hier der Vollständigkeit halber doch noch auf die Schützenfeste hingewiesen. Hin und wieder besuchten die Mellinger Schützen auswärtige Veranstaltungen. 1504 nahmen 89 Mellinger an den Glücksspielen am Freischiessen in Zürich teil. 1596 versuchten Bürger von Baden, Mellingen, Bremgarten und Klingnau am Gesellen-Schiessen in Aarau ihr Glück, 1605 wurden Mellinger Schützen ans Kirchweihschiessen in Lenzburg und 1559 ans «Anschiesset» in Brugg eingeladen. Auch die Mellinger Schützen organisierten Schützenfeste. An jenem von 1544 nahmen Schützen von Aarau teil. Weitere Schützenfeste sind in Mellingen 1545, 1549 und 1623 bezeugt.

Bruderschaften
lnstitutionen, die ebenfalls die Geselligkeit pflegten, waren auch die Bruderschaften, halbwegs berufliche, halbwegs religiöse Organisationen. Es waren dies die Barbara-Bruderschaft, der die Weber, Schneider, Näher und Lismer angehörten. Gerber, Metzger, Schuhmacher und Sattler waren in der Crispinus-Bruderschaft zusammengeschlossen. Die Bruderschaft Unserer Lieben Frau umfasste ursprünglich die Müller, Bäcker, Schmiede, Küfer, Zimmerleute, Seiler und Wagner. Mit der Zeit entwickelte sich Letztere zu einer geselligen Vereinigung, die zeitweise auch Frauen aufnahm und sich nun Stubengesellschaft nannte. Diese hatte ein eigenes VersammIungslokal, welches von den Stubenmeistern betreut wurde.

Quellen und Literatur:
- Rohr Heinrich. Urkunden und Briefe des Stadtarchivs Mellingen bis zum Jahre
1550. Aarau 1960,16, Nr. 9.
- Rainer Stöckli. Geschichte der Stadt Mellingen von 1500 bis zur Mitte des 17.
Jahrhunderts. Fribourg 1979, 154-161, 289-290.
- Welti Friedrich Emil / Merz Walther. Die Stadtrechte von Laufenburg und
Mellingen. Aarau 1915, 291f, 388.
- Wikipedia: Artikel: Fastnachtshuhn; Thomas Murner.



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Bild: Rainer Stöckli/Mellinger Städtlichronik 2018
Text: Rainer Stöckli/Mellinger Städtlichronik 2018
Copyright: Rainer Stöckli/Mellinger Städtlichronik 2018

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