Das Badhaus von Mellingen, Rainer Stöckli

Kirchgassen mit Iberg und Altersheim > Grosse Kirchgasse

Das ehemalige Badhaus auf dem Holzschnitt aus der Stumpfchronik von 1548

Medizinisch-hygienisch privilegiert

Städte waren in früheren Jahrhunderten gegenüber der sie umgebenden Landschaft nicht nur rechtlich, wirtschaftlich und militärisch privilegiert, sondern auch im medizinisch-hygienischen Bereich. So fanden im Jahre 1313 gegründeten Spital von Mellingen, das anstelle des heutigen Rathauses am Kirchplatz lag, nicht nur betagte Menschen und Waisen Unterkunft, sondern auch gebrechliche Mitbürger.
In der Kreuzung zwischen Lenzburgerstrasse und Bremgartenstrasse stand ungefähr im Bereich der heutigen Kantonalbankfiliale das Siechenhaus, ein Abgesondertenhaus insbesondere für Aussätzige. Die städtische Hebamme unterstützte die Mütter vor, während und nach der Geburt ihrer Kinder.

Auf dem Holzschnitt aus der Stumpfchronik von 1548 ist das freistehende Badhaus eindeutig zu erkennen (mit grüner Türe). Links davor hinter dem Kirchplatzbrunnen stand die ehemalige städtische Metzgerei (um 1900 abgebrochen) ebenfalls ein Gebäude mit Fachwerk.
Auf dieser Stadtansicht präsentiert sich dieses Gebäude – quer zur übrigen Häuserzeile gestellt - fast noch wie heute. Bemerkenswert ist, dass dieses Haus sowohl bei Stumpf und bis auf den heutigen Tag als einziges Gebäude der Grossen Kirchgasse freistehend ist, dies deshalb, weil darin ein Gewerbe mit offenem Feuer betrieben wurde und die Reihenhäuser im Städtchen früher noch über keine Brandmauern verfügten.
Dass die Gegend um das Badhaus herum beim Brand um 1505 stark hergenommen wurde, ist schriftlich bezeugt. So wurde die südlich davon gelegene städtische Metzgerei stark betroffen. An deren Stelle stehen heute die Häuser Grosse Kirchgasse 10 und 12. Den Baumeisterrödeln im Stadtarchiv entnehmen wir, dass nach der Brandkatastrophe von 1505 für den Wiederaufbau sehr viel Tannenholz verwendet wurde. So schenkte die Stadt Luzern den Mellingern die Nutzung zweier Tannenwälder im Raum Inwil und St. Urban. Tatsächlich besteht das Bauholz des ehemaligen Badhauses zum grössten Teil aus Tannenholz. Das noch erhaltene Fachwerk in den Giebelwänden sowie in der Ostecke des Obergeschosses gehört zu den ältesten erhaltenen Konstruktionen dieser Art im Kanton Aargau.

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Im Badhaus an der Grossen Kirchgasse Nr. 8 konnten die Bürger ein warmes Bad nehmen. Betrieben wurde dieses vom städtischen Bader, der zugleich auch die Haare schnitt und den Männern den Bart rasierte. Im Weitern konnte man beim Bader einen Aderlass vornehmen lassen. Auch im Schröpfen war dieser bewandert. Manche Bader waren zudem sogenannte «Bruchschneider», d.h. sie behandelten Leistenbrüche. Für die Wundversorgung war der Bader ebenfalls der zuständige Mann. An der Universität ausgebildete. Ärzte und Apotheker lassen sich in Mellingen aber erst im 19. Jahrhundert feststellen.

Die Aussenwände des Gebäudes, die noch aus der Zeit von 1505 stammen, bestehen in der Südwesthälfte im Erdgeschoss und Obergeschoss sowie in der Nordostecke im Erdgeschoss aus Mauerwerk. Dieses setzt sich aus kleinen Kieselsteinen sowie Kalktuffbrocken mit grobkiesigem, mittelalterlich anmutendem Kalkmörtel zusammen. Möglicherweise sind Teile davon gar von einem Vorgängerbau übernommen worden.

Vom ursprünglichen Innenausbau ist wenig erhalten geblieben. In der Ostecke des Erdgeschosses befindet sich noch eine Schiebbohlen-Decke aus der Zeit von 1505. Auch an einer Decke im darüber liegenden Geschoss haben sich Spuren aus dieser Bauphase erhalten. Nach dem Teilneubau nach 1749, wo vermutlich auch die rechtsseitige Unterkellerung vorgenommen wurde, erfuhr das Gebäude vor allem in den I970er-Jahren im Innern seine grössten Veränderungen. Bei dieser Gelegenheit scheinen auch der gesamte Untergrund des Erdgeschosses abgetieft und damit allfällige Spuren der ehemaligen Badstube - wie zum Beispiel der Wasserzuleitung und des Badofens - zerstört worden zu sein.



Bild-Nr.: BH-39043.1
Bild: Stumpfchronik von 1548
Text: Rainer Stöckli / Mellinger Städtlichronik 2009
Copyright: Rainer Stöckli / Mellinger Städtlichronik 2009

1548

Das Waschhaus beim Iberg

Um die Wäsche zu reinigen, standen den Frauen Waschhäuser zur Verfügung:

Eines lag in der Nähe des Iberghofs (siehe Abbildung) und wurde bei der Restaurierung des Schlösschens im Jahr 1999 abgerissen.


Bild-Nr.: BH-06101.32
Bild: © Viktor Zimmermann
Text: Rainer Stöckli/Mellinger Chronik 2009
Copyright: Rainer Stöckli/Viktor Zimmermann/Mellinger Chronik 2009

1982

2008 - Das Waschhaus an der Reuss

Das ehemalige Waschhaus in der Unterstadt heute (2009) Bruggerstrasse 42a-dient derzeit als Wohnhaus.
Es ist das kleine Haus an der Reuss mit hellblauen Fensterläden im 1. Stock.


Bild-Nr.: BH-05700
Bild: © Viktor Zimmermann
Text: Fotoarchiv-Mellingen
Copyright: © Viktor Zimmermann

2008

Interessante baugeschichtliche Erkenntnisse

Was von Seiten der Geschichtsschreibung schon seit vier Jahrzehnten aufgrund von schriftlichen Quellen als ziemlich sicher galt, konnte in Zusammenhang mit der Restaurierung im Jahr 2008/09 durch die Kantonsarchäologie bestätigt werden: Im Haus Grosse Kirchgasse 8 muss sich die städtische Badstube befunden haben. Als man nämlich die Balken am Dachstuhl, an den Decken und an den Wänden freilegte, fielen den Fachleuten die stark rauchgeschwärzten Hölzer (siehe Abbildung) auf, die Jahrhunderte lang vom Rauch einer offenen Feuerstelle ihre Färbung erhalten haben mussten. Dies deutete auf eine ehemalige gewerbliche Nutzung, bei welcher ein offenes Feuer notwendig war, hin. Die schriftlichen Belege aus der Mitte des 17. Jahrhunderts und der Befund der Archäologie liefern daher den unzweifelhaften Hinweis, dass im Haus Grosse
Kirchgasse 8 das ehemalige Mellinger Badhaus untergebracht war.

Foto:
Die anlässlich der archäologischen Untersuchung freigelegten rauchgeschwärzten Balken des Dachstuhls sind laut
dendrochronologischen Untersuchungen über 500 Jahre alt.


Bild-Nr.: BH-16-2008
Bild: © Viktor Zimmermann
Text: Rainer Stöckli/Mellinger Chronik 2009
Copyright: Rainer Stöckli/Viktor Zimmermann/Mellinger Chronik 2009

2009

Verrusste Bruchsteine an der Aussenwand

An der Aussenwand zur Grossen Kirchgasse legte man bei den archäologischen Untersuchungen; im Erdgeschoss zudem eine Stelle frei, bei welcher die Bruchsteine bis weit ins Mauerwerk hinein stark verrusst sind. Wenn auch diese Feuerspuren nicht mit Sicherheit gedeutet werden können, so ist doch nicht absolut auszuschliessen, dass sich an dieser Stelle eine offene Feuerstelle befand, über der das Badwasser aufgewärmt wurde. Um 1663 herum ist im selben Gebäude zusätzlich eine Färberei nachgewiesen, ebenfalls ein Gewerbe, bei welchem viel Warmwasser benötigt wurde. Bemerkenswert ist im Weiteren, dass dieses Gebäude bis vor 100 Jahren «Schwarzhus» genannt wurde, wohl wegen der rauchgeschwärzten Wände und Balken im Innern.


Bild-Nr.: BH-12-2008
Bild: © Viktor Zimmermann
Text: Rainer Stöckli/Mellinger Chronik 2009
Copyright: Rainer Stöckli/Viktor Zimmermann/Mellinger Chronik 2009

2009

Alte Bausubstanz

Aufgrund der Fensterformen können vielfach gewisse Schlüsse auf das Alter eines Hauses gezogen werden. Weil ein Grossteil der Fenster des ehemaligen Badhauses aus dem 19. und 20. Jahrhundert stammen, nahm man bislang an, dieses Gebäude sei nicht viel älter als 200 Jahre. Da unter dem Verputz vor allem im Obergeschoss und auf den Stirngiebeln viel Fachwerk zum Vorschein kam und auch der freigelegte Dachstuhl auf eine relativ alte Baukonstruktion schliessen liess, veranlassten die Kantonsarchäologie Aargau und die aargauische Denkmalpflege eine dendrochronologische Untersuchung, ausgeführt durch Raymond Kontic vom Labor «dendron» in Basel. Diese wissenschaftliche Methode, mit welcher die Jahrringe von Bäumen anhand ihrer unterschiedlichen Breite einer bestimmten, bekannten Wachstumszeit zugeordnet werden können, erlaubt es, das Alter der verwendeten Hölzer auf das Jahr genau festzustellen. Dabei ergab diese naturwissenschaftliche Untersuchung in zweifacher Hinsicht eine Überraschung: Im Innern der rechten Hausseite glaubte man anfänglich im Erdgeschoss aufgrund einer im Dekor altertümlich anmutenden Decke mit gotisch breit gefassten Balken den ältesten Teil dieses Gebäudes gefunden zu haben. Die dendrochronologischen Untersuchungen erbrachten aber ein anderes Resultat: Die Bauhölzer der rechten Seite des Erd- und des Obergeschosses wurden aufgrund von sieben Holzproben erst im Jahr 1749 geschlagen. Demgegenüber erwiesen sich zahlreiche Balken im übrigen Baukomplex und nicht zuletzt jene des Dachstuhls als wesentlich älter. Diese Bauhölzer wurden aufgrund von 17 dendrochronologischen Proben im Herbst bzw. Winter 1505 gefällt. Mit anderen Worten: Das Badhaus wurde nach dem Grossbrand von 1505 von Grund auf neu erbaut. Dies wird durch dendrochronologische Daten von Deckenbalken im Erdgeschoss und im Obergeschoss sowie aus dem Fachwerk im südwestlichen Giebel und dem Dachstuhl, die grösstenteils noch aus der Zeit von 1505 stammen, bewiesen. Somit kann geschlossen werden: Grundriss, Baukubus und Dach haben seit einem halben Jahrtausend ihre Form praktisch nicht verändert, während im Innern im Laufe der letzten Jahrhunderte - besonders
in den 1970er- oder 80er-Jahren – zum Teil unprofessionelle Umbauten vorgenommen wurden, welche die Statik des Hauses sehr beeinträchtigten. Deshalb mussten der Gewerbebetrieb und die Wohnungen im Frühjahr 2008, als man das Gebäude renovieren wollte, notfallmässig geräumt, die Aussenmauern mit dicken Baumstämmen und die Decken mit Eisenstangen gesichert werden.


Bild-Nr.: BH-18-2008
Bild: © Viktor Zimmermann
Text: Rainer Stöckli/Mellinger Chronik 2009
Copyright: Rainer Stöckli/Viktor Zimmermann/Mellinger Chronik 2009

2009

Badhaus - eine alte Institution

Bereits 1382 baute Niklaus Scherer eine Badstube. Ob diese schon damals an der Grossen Kirchgasse lag, ist nicht bekannt. 1432 verkaufte Andreas Scherer die Badstube der Stadt, d.h. diese wurde eine kommunale Institution. Von 1500 bis 1540 - also in der Zeit, als das Badhaus neu erbaut wurde - wirkte Hans Schnyder als Bader. Mit diesem schloss der Rat um 1500 einen Vertrag über den Betrieb der Badstube ab. Darin hielt man fest, dass dieser Wasser "by dem. oberen brünnen" (d.h. wohl beim Kirchplatzbrunnen) abzapfen und an den «gewonlichen badtagen» mittels eines «tüchels» (=Dünkel, d.h. einer hölzernen Röhre) im Badhaus leiten dürfe.
Der Bader wurde verpflichtet, an den üblichen Badtagen in der Badstube den Einheimischen und Fremden warmes Wasser für ein warmes Bad zur Verfügung zu stellen. Bürger und Hintersassen bezahlten 4 Haller Badgeld, Frauen 3 Haller, Kinder konnten gratis ein Bad nehmen. Falls nötig, war der Bader gehalten, ein sogenanntes «Kruttbad» herzurichten. Dabei sassen die Badenden oft stundenlang im warmen Wasser, welchem man Heilkräuter beigefügt hatte. In der kalten Jahreszeit war der Bader auch verpflichtet, das Badhaus gut zu beheizen. In diesem Vertrag sicherte man Hans Schnyder im Weitern zu, dass es niemand anderem erlaubt sei, in Mellingen eine zweite öffentliche Badstube einzurichten.
Allerdings wurde den Bürgern zugestanden, in ihrem eigenen Haus ein «Badstübly» einzurichten, allwo man ein Bad nehmen oder sich schröpfen lassen konnte. Im eigenen «Badstübly" war es auch erlaubt, einen fremden Bader zu beauftragen, einen Aderlass vorzunehmen. Es war schliesslich einem «trocknen schärer, d.h. einem Bader, der keine Badstube betrieb, erlaubt, sich im Städtchen anzusiedeln, um den Bewohnern die Haare und den Bart zu schneiden sowie zu Ader zu lassen. 1633 setzte der Rat die Taxen für ein Bad folgendermassen fest:
½ Batzen mit Schröpfen, 1 Schilling ohne Schröpfen.
1535 sind zusätzlich neben dem Bader auch noch zwei Baderknechte aktenkundig. Und um 1600 scheinen sogar zwei Bader im Badhaus gewirkt zu haben. Bader sind in der Literatur bis 1663 nachgewiesen. Wann der Badebetrieb aufgegeben wurde, konnte bislang noch nicht eruiert werden. Möglicherweise könnte der oben erwähnte Umbau von 1749 einen Hinweis für eine Umnutzung dieses Gebäudes liefern. Allerdings fand man in einer Kammer im Obergeschoss im Hausteil von 1749 ebenfalls eine stark russgeschwärzte Wand, was der obgenannten Hypothese eher widersprechen würde.


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Eine tragikomische Geschichte aus dem Jahr 1534

Nach der Einführung der Reformation in Mellingen 1529 und der zwangsweisen Rekatholisierung der Bürger im Jahre 1531 herrschte im Städtchen vielfach eine gereizte Stimmung. Oft nahmen relativ geringfügige Streitigkeiten, wenn sie sich um religiöse Belange drehten, bedrohliche Formen an.
So auch im Jahre 1534. Bekanntlich zogen sich bis 1900 an den Hängen rechts der Reuss vom heutigen Meli-Areal bis zum Brand ausgedehnte Rebberge hin. Wie es scheint, waren 1534 die Aussichten auf eine gute Traubenernte schlecht. In diesem Zusammenhang kam es in der Mellinger Badstube zu einem heftigen Disput zwischen Stadtpfarrer Hans Vonwiler und dem reformierten Hans Stutz von Rüti. (Dieser Stutz dürfte kaum von Rüti bei Hägglingen stammen, da dieses im Freiamt lag, welches ebenfalls wie Mellingen wieder zur katholischen Konfession zurückkehren musste. Eher kommen Vogelrüti oder Rütihof in der Grafschaft Baden infrage, wo auch reformierte Untertanen geduldet wurden.) Als der Pfarrer in der Badstube weilte, waren die Baderknechte eben daran, einen Strohhut zu flechten. Da fragte der Pfarrer, ob er diesen Hut kaufen könne, worauf sich einer der Baderknechte interessierte, ob denn der Herr Pfarrer auch Reben schneiden gehe. Vonwiler antwortete: «Ja. Es söllent alle Menschen wercken, und habe so hefftig hütt in Räben gewerckt, das Jn die hennd schmirtzten (=schmerzen).» Darauf erkundigte sich Hans Meyer von Wohlenschwil, wie es denn mit der Traubenernte stehe. Anderswo gehe die Klage um, «die Trübel fallent ab». Der Pfarrer gab zur Antwort, dank der Hilfe Gottes und der Heiligen habe es genügend Trauben. Denn wenn alle Früchte reif würden, gebe es kaum genügend Fässer, um allen Wein einzukeltern. Weil im reformierten Glauben die Verehrung der Heiligen abgelehnt wurde, mischte sich Hans Stutz in das Gespräch ein und meinte, sicher sei für eine gute Traubenernte die Hilfe Gottes notwendig, aber dass zu diesem Zwecke die Heiligen angerufen werden müssten, dies lehne er strikte ab. Das Gespräch eskalierte, und schliesslich nannte Vonwiler seinen Gesprächspartner einen Ketzer und verliess wutentbrannt die Badstube. Wegen dieser Reden wurde der Pfarrer der Verletzung des religiösen Friedens bezichtigt. Der Landvogt von Baden verlangte vom Gericht in Mellingen, den Pfarrer abzuurteilen. Doch Letzterer entzog sich diesem Prozedere durch Flucht. Schliesslich befasste sich 1535 sogar die eidgenössische Tagsatzung mit den beiden Streithähnen, konnte sich aber nicht zu einer konkreten Bestrafung durchringen. Der Fall, der seinen Anfang in der Mellinger Badstube genommen hatte, verlief schliesslich im Sand, und der ganz allgemein streitbare Pfarrer scheint darauf Mellingen recht bald verlassen zu haben.


Bild-Nr.: BH-05701
Bild: Jost Amman, Ständebuch 1568
Text: Rainer Stöckli / Mellinger Städtlichronik 2009
Copyright: Rainer Stöckli / Mellinger Städtlichronik 2009 / Jost Amman, Ständebuch 1568

2009

2009 Wohnraum im ehemaligen Badhaus

Dem Haus die «Seele» erhalten

Es ist der Versicherungsgesellschaft Axa -Winterthur, der Besitzerin des Hauses, sehr hoch anzurechnen, dass sie das nicht unter Denkmalschutz stehende Gebäude stehen liess und sich entschloss, unter massiven Mehrkosten das Haus zu restaurieren. Architekt Hans Rohr, aufgewachsen in Mellingen und Teilhaber des Architekturbüros Egli Rohr Partner, Baden-Dättwil, war es ein Anliegen, die «Seele» des altehrwürdigen Hauses zu bewahren, d.h. möglichst viel alte Bausubstanz zu erhalten und diese wo möglich - vor allem in den Innenräumen - sichtbar werden zu lassen (s. Abbildung). Doch da sich das Haus statisch in einem denkbar schlechten Zustand befand, war es kein leichtes Unterfangen, in einem Gebäude mit 500-jähriger Bautradition Gewerberäume und Wohnungen, die dem heutigen Standard entsprechen zu realisieren. So waren neben den feuerpolizeilichen Vorschriften auch energetische Probleme zu lösen. Da der ursprüngliche Baukubus und die Befensterung grundsätzlich erhalten bleiben, musste die Isolation im Innern angebracht werden: Wände mit ZeIluloseschnitzeln zwischen innerer Verkleidung und Aussenmauer, welche die Feuchtigkeit in den Räumen ausgleichen. Die Statik wurde durch ein in der Mitte des Hauses
hochgezogenes Treppenhaus aus Beton sichergestellt. In den Bruchsteinmauern der Aussenwände befestigte Metallanker verband man mit dem Betonkern im Innern und er- höhte so die Stabilität des Bauwerkes massiv.

So ist zu hoffen, dass sich im Gewerberaum im Erdgeschoss wie in den beiden 2½-Zimmer-wohnungen im Obergeschoss und in der 3½-Zimmer-Wohnung im Dachgeschoss behagliches, zeitgemässes Leben und Wirken in alten, geschichtsträchtigen Mauern entwickeln kann.

Foto:
Innenansicht nach der Renovation. An der Decke sind teilweise noch jahrhundertealte, rauchgeschwärzte Balken sichtbar.




Quellen und Literatur:

-Mündliche Hinweise: Christoph Reding, Kantonsarchäologie Aargau, Brugg; Hans Rohr
und Adrian Laube, Architekten Egli Rohr Partner AG, Baden-Dätlwil. Für die Durchsicht
des Manuskripts danke ich bestens den Herren Christoph Reding, Kantonsarchäologie,
und Urs Stierli, Architekten Egli Rohr Partner AG.
-Egli Rohr Partner AG Architekten, Baden-Dättwil. Dokumentation 20. Juli 2009.
-Kontic Raymond. Dendrochronologische Holzalterbestimmung Grosse Kirchgasse 8,
Mellingen AG. dendron Basel, Januar 2009.
-Nold Andrea. Archäologische Ausgrabungen im Garten des Palais Besenval in Solothurn.
Beiträge zu.Archäologie und Denkmalpflege im Kanton Solothurn 2009, speziell 35-80.
-Reding Christoph. Bericht zur archäologischen Bauuntersuchung: Mellingen, Grosse Kirch-
gasse 8 inkl. Plandokumentation. Kantonsarchäologie Aargau/Brugg, 7. August 2009.
-Rohr Heinrich. Urkunden und Briefe des Stadtarchivs MelIingen bis zum Jahre 1550.
Aargauer Urkunden XIV, Aarau 1960, 111, Nr.247.
-Stöckli Rainer. Geschichte der Stadt Mellingen von 1500 bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts.
Fribourg 1979, 173 -175, 278-280.
-Stöckli Rainer. Der Weinbau in Mellingen. Unterentfelden 1999,4-5.




Bild-Nr.: BH-26-2009
Bild: Egli Rohr Partner AG Architekten, Baden-Dättwil
Text: Rainer Stöckli /Mellinger Städtlichronik 2009
Copyright: Rainer Stöckli/Mellinger Städtlichronik 2009

2009

2009 Das renovierte ehemalige Badhaus von Mellingen


Bild-Nr.: BH-05703
Bild: © Viktor Zimmermann
Text: Fotoarchiv-Mellingen
Copyright: © Viktor Zimmermann

2009