1801 - Das Gewerbe in der Region Mellingen, Rainer Stöckli

Geschichte > Aus Mellinger Städtlichroniken ab 1991

1801 - Das Gewerbe in der Region Mellingen

Mellinger Gesellenbrief aus dem Ende des 18. Jahrhunderts. Jeder Handwerksbursche aus Mellingen, der seine Lehre und die vorgesehenen Wanderjahre absolviert hatte, erhielt einen solchen Gesellenbrief. Stich von J. J. Clausner

Vielen ist es möglicherweise gar nicht mehr so richtig bewusst, dass vor 200 Jahren die Schweiz immer noch unter dem Regime des Helvetischen Staates stand. Dieser Einheitsstaat brachte viele Veränderungen mit sich, an die wir uns nicht immer gerne erinnern. Und doch bildet zahlreiches Gedankengut der damaligen Zeit die Grundlage der modernen Schweiz. Für den Historiker beginnen die Informationen viel reichlicher zu fliessen. So ist die Helvetik auch die Startphase der heutigen modernen Statistik. Bereits 1798 wurde eine Volkszählung durchgeführt.
Im damaligen Kanton Baden, mit ein paar Ausnahmen bestehend aus den heutigen Bezirken Zurzach, Baden, Bremgarten und Muri, lebten damals rund
46 000 Personen. 1801, also vor genau 200 Jahren, erliess die Regierung des Kantons Baden die Bestimmung, dass jeder Bewohner, der ein Gewerbe betreibe, ein Patent beantragen müsse. In der Folge lösten im Zeitraum vom September 1801 bis Juni 1802 nicht weniger als 2981 Personen ein solches Patent. Alle diese Kantonseinwohner wurden fein säuberlich in ein Buch, das «Gewerbs-Patent-Register», das noch heute im Staatsarchiv Aargau aufbewahrt wird, eingetragen. Während wir über das Gewerbe in unserer Gegend vor 1801 nur sehr fragmentarisch orientiert sind, erhalten wir nun durch dieses Register sehr präzise Angaben über die Anzahl der Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe in jeder Ortschaft. Wir vernehmen zudem, wer welchen Beruf damals ausübte.
Leider kann aber dieses Register keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. So fehlen beispielsweise Angaben über Rütihof und Dättwil. Auch glaube ich kaum, dass in Niederrohrdorf 1801 nur zwei Gewerbebetriebe bestanden haben. Das Verzeichnis nennt nämlich nur einen Müller Franz Heimgartner und einen Zimmermann Josef Hertner. Dies ist bei einer Einwohnerzahl von 253 Personen sehr wenig.
Unter Oberrohrdorf hingegen, das um 1800 nur 22 Einwohner mehr als Niederrohrdorf zähIte, übten 15 Einwohner ein Gewerbe aus. Wie dem auch sei: Auf jeden Fall ist dieses Verzeichnis trotzdem eine hochinteressante Quelle zur Wirtschaftsgeschichte vor 200 Jahren.

Städte waren Zentren des Gewerbes
Aus dem «Gewerbs-Patenten-Register» entnehmen wir, dass die ehemaligen Städte und Marktflecken im Kanton Baden meist wesentlich mehr Gewerbebetriebe aufwiesen als die Dörfer, wo hauptsächlich die Landwirtschaft vorherrschte. Städte waren seit jeher Zentren des Handwerks und des Handels: An der Spitze finden wir Baden mit 194 Einträgen, gefolgt von Zurzach mit 150, das als Marktflecken besonders viele Handelsleute anzog. In Bremgarten erwarben 131 Einwohner ein Patent, in Klingnau 92, in Mellingen 72 und in Kaiserstuhl 68.
Mellingen war aber, gemessen an der Einwohnerzahl, keineswegs eine «gewerbearme» Stadt. Vor allem der Vergleich mit Klingnau ist frappant: Klingnau mit damals 1150 Einwohnern zählte bloss 92 Gewerbebetriebe, während Mellingen mit 471 Bewohnern immerhin deren 72 aufzuweisen hatte. Dies lässt sich allerdings nur so erklären, dass in Klingnau lange nicht alle Einwohner ein Gewerbepatent lösten, zahlreiche Einwohner in der Landwirtschaft beschäftigt waren oder das Verzeichnis für diese Stadt unvollständig ist.


Mehr

Das Gewerbe in Mellingen
Wenden wir uns nun dem Gewerbe von Mellingen zu, um dabei auch einige Vergleiche mit der Schwesterstadt Bremgarten anzustellen, welche mit 131 Betrieben fast doppelt so viele wie Mellingen zählte. Wesentlich besser war in Bremgarten die medizinische Versorgung: Neben zwei Ärzten mit universitärer Ausbildung und zwei Viehärzten zählen wir auch einen Wundarzt und eine Hebamme. Wundärzte waren keine akademisch ausgebildeten Ärzte, sondern beschränkten sich meist auf das Behandeln von Wunden, von Leistenbrüchen und anderen Brüchen in der Muskulatur, auf das Schröpfen und früher auch auf das Aderlassen. Vielfach waren sie auch Coiffeur und Bader.

In Mellingen stellen wir nur drei Wundärzte, nämlich Xaver und Karl Josef Zumstein sowie Lorenz Wassmer fest. Das Fehlen einer Hebamme erstaunt, fanden sich doch in Mellingen seit dem Mittelalter stets Hebammen, ein Hinweis mehr, dass dieses Gewerbeverzeichnis nicht in allen Belangen vollständig sein kann.

Interessant ist auch, dass sich in Bremgarten verschiedene Kunst- und Spezialhandwerker angesiedelt hatten, die wir in Mellingen vergeblich suchen: Goldschmiede, Bildhauer, Papiermacher, Buchbinder, Kürschner, Uhrmacher, Stukkateure.

In Mellingen arbeiteten zur Hauptsache Handwerker, die Dinge des täglichen Gebrauchs herstellten. Dass der Verschleiss an Schuhen damals sehr gross war, weil man sich meist zu Fuss fortbewegte und man die Schuhe bis zum Geht-nicht-mehr reparieren liess, manifestiert sich in den neun Schuhmachern, die im Städtchen ihre Dienste anboten. Insbesondere Leder verarbeiteten auch die drei Sattler. Daneben nimmt sich die Anzahl von bloss zwei Schneidern recht bescheiden aus.

Nicht mehr in unserer Gemeinde vertreten ist heute der Beruf des Färbers.
1801 färbten Leodegar Werder und Sohn Textilien wohl in der Färberei, welche in der Nähe des Kirchplatzes lag. Ebenfalls ausgestorbene Gewerbe sind die eines Leinenwebers - Jakob Schwarz verdiente seinen Unterhalt damit - und der zwei Nagelschmiede: Xaver Lee und Ignaz Meyer fertigten vor allem Huf- und Schuhnägel an. Ebenfalls nicht mehr anzutreffen ist heute der Beruf des Kamm-Machers: Nicht weniger als drei, nämlich Karl Wetzel, Kaspar und Baptist Wassmer, beschäftigten sich mit der Herstellung von Kämmen. Auch der Beruf eines Wagners ist seit über 50 Jahren aus unserem Städtchen verschwunden. Das gleiche lässt sich bei den Seilern feststellen: Bemerkenswert ist, dass schon
damals ein Ignaz Halter dieses Handwerk ausübte und die Seilerei bis Mitte des 20. Jahrhunderts in dieser Familie weitergepflegt wurde.

Bei den Eisen verarbeitenden Betrieben stellen wir neben den beiden oben erwähnten Nagelschmieden zwei Schlosser, drei Schmiede und einen Spengler fest.

Recht gut vertreten war die Sparte der Bauhandwerker. Nicht weniger als fünf Zimmerleute boten ihre Dienste an, Maurer hingegen nur deren drei. Hafner aber zählen wir vier, wovon drei aus dem Geschlecht Lee. Auch hier stellen wir wie bei der Familie Halter eine echte Handwerkertradition fest.

Schon im 17. Jahrhundert fertigte ein Johann Lee in unserer Region kunstvolle Kachelöfen an. Im Weiteren wirkten in Mellingen drei Schreiner und ebenso viele Glaser, welche Fenster herstellten. Zu erwähnen ist schliesslich noch der Ziegler Sebastian Zumstein. Dieser wird Ziegel und Backsteine in der städtischen Ziegelhütte gebrannt haben. Diese stand an der Stelle des heutigen (2001) Kindergartens Trottenstrasse und wurde 1850 abgebrochen.

Für das leibliche Wohl sorgten je 4 Metzger und Bäcker, damals noch Pfister genannt. Zu dieser Sparte gehören auch die vier Müller, welche die seit dem Mittelalter bestehenden Mühlen in Mellingen-Dorf betrieben. Josef Brunner der Ältere arbeitete auf der Bruggmühle gerade neben der Reussbrücke (heute -2001- Mehrfamilienhaus Zentralplatz 2). Josef und Leonz Seiler führten die Widenmühle am Grumetweg (heute -2001- Liegenschaft Haller). Dieser Mühle war auch eine Ölpresse angegliedert. In der Buggenmühle (heute -2001- Meli Fruchtsäfte AG und Werkhof) dürfte Josef Brunner der Jüngere Getreide gemahlen haben.
Es verwundert auch nicht, dass sich an der fischreichen Reuss zwei Berufsfischer nachweisen lassen: Es waren dies die Gebrüder Klaus und Xaver Häfeli.
Indirekt mit dem Lebensmittelgewerbe hatten auch die zwei Küfer zu tun, mussten doch insbesondere für den bis um 1900 in Mellingen reichlich produzierten Wein immer wieder neue Fässer hergestellt werden.

Städte beherbergten nicht nur zahlreiche Handwerksbetriebe, sondern auch Verkaufsläden, Handelshäuser und Gastwirtschaften. So versorgten sechs Spezereiläden die Bevölkerung mit Lebensmitteln des täglichen Bedarfs.
Xaver Gretener spezialisierte sich auf den Früchtehandel. Im Weiteren lassen sich zwei Betriebe feststellen, die sich mit dem Tuchhandel befassten. Nicht weniger als fünf Personen beschäftigte das eine Tuchhandelsunternehmen, nämlich den aus Savoyen gebürtigen Josef Blanchet, ferner Jacques-Joseph, Jacques-Marie und Jean-Claude Ducret, vermutlich ebenfalls ehemalige Savoyarden, sowie Michel Provante. Seidenhändler waren Josef Kappeler und Franz Egger; mit Seide und Wollwaren handelte Johann Hertach. Die aus Böhmen gebürtigen Georg und Andreas Zagelmann beschäftigten sich mit Federn- und Wollhandel. Es fällt auf, dass im Handelsbereich recht viele ehemalige Ausländer tätig waren.

Gaststätten zählen wir 1801 deren zehn, nämlich drei dem öffentlichen Recht unterstehende Tavernenwirtschaften, in welchen warme und kalte Gerichte abgegeben und zudem Gäste beherbergt werden, sowie sieben Pintenwirtschaften, in denen neben Wein und Most nur kalte Speisen serviert werden durften. Tavernenwirte waren auf der «Krone» Xaver Gretener, auf
dem «Hirschen» Jakob Gretener und auf dem «Löwen» Agnes Müller, die Witwe des I798 verstorbenen Schultheissen Karl Josef Müller. Pintenwirtschaften konnten nicht eine ganze Familie ernähren. Alle sieben Mellinger Pintenwirte stützten sich darum auf ein zweites berufliches Standbein und führten daneben entweder einen Spezereiladen, eine Metzgerei oder eine Bäckerei.


In diesem Gewerbeverzeichnis ist zudem aufgeführt, welche Betriebe Lehrlinge angestellt hatten. Auch hier müssen wir die Vollständigkeit des Registers eher anzweifeln: denn danach beschäftigten bloss vier Handwerker sechs «Lehrknaben». Dies würde der Nachwuchsförderung des Mellinger Gewerbes nicht unbedingt ein gutes Zeugnis ausstellen.

Das Gewerbe in den umliegenden Dörfern
Im nachfolgenden wollen wir noch eine Liste von Dörfern in der Umgebung von Mellingen, soweit sie im Gebiet des damaligen Kantons Baden lagen, mit Angabe der Einwohner und der Anzahl der Gewerbebetriebe im Jahre 1801 folgen lassen:


Einwohner Gewerbebetriebe
(1798) (1801/02)

Birmenstorf 630 38
Dättwil 62 *
Fislisbach 342 12
Hägglingen 828 43
Mägenwil 339 19
Oberrohrdorf 275 15
Niederrohrdorf 253 2
Stetten 315 8
Rütihof 130 *
Tägerig 459 62
Wohlenschwil/Büblikon 373 28

*keine Angaben im «Gewerbe-Patenten-Register»
Quelle Einwohnerzahlen: Revolution im Aargau. Aarau 1997


Wenden wir uns zuerst dem absoluten Spezialfall in dieser Zusammenstellung, dem Gewerbe im Dorf Tägerig zu. Hier lösten 62 Dorfbewohner ein Patent ein. Diese überdurchschnittlich hohe Zahl an Gewerbetreibenden lässt sich nur daraus erklären, dass von 51 Betrieben sogenanntes «Ammelemähl», d.h. Stärkemehl, hergestellt und verkauft wurde. Die Herstellung von «Ammelemähl», die meist wohl neben der Landwirtschaft betrieben wurde, hatte in Tägerig alte Tradition. Bereits um 1650 beschäftigten sich die Tägliger mit der Produktion von «Ammlung», und selbst Anfang des 20. Jahrhunderts befassten sich noch einzelne Dorfbewohner damit. Zur Herstellung des Stärkemehls verwendete man meistens Dinkel-, hin und wieder auch Weizenmehl. Mit einem sehr zeitaufwändigen Verfahren wurde die Stärke aus den Getreidekörnern herausgelöst und nachher in der halben Schweiz durch die «Ammeleträger» vertrieben. Abnehmer waren insbesondere die Hausfrauen, Buchbinder, Buchdrucker und Baumwollweber.
Ein Josef Meier beschäftigte sich in Tägerig mit Wachs- und Kerzenhandel und ein
Gregor Meier mit Öl- und Seifenhandel. Bemerkenswert sind auch die fünf Leinenweber Kaspar Blattmer, Kaspar und Josef Huber sowie Josef und Heinrich Meier.

Bei den relativ wenigen Gewerbetreibenden in Fislisbach fällt auf, dass bei fünf Patentinhabern vermerkt wird, sie seien Taglöhner: nämlich der Schneider Josef Leonz Heimgartner, die Schuhmacher Jakob Peterhans und Leonz Muntwiler sowie die Maurer Josef Wettstein und Christoph Peterhans. Ausser in Fislisbach und Birmenstorf finden wir keine anderen Gemeinden mit solchen Angaben: Ob dies als Hinweis auf ein wirtschaftlich nicht sehr prosperierendes Gemeinwesen gedeutet werden darf, muss offen bleiben. Erwähnenswert ist auch Matthäus Schibli, der mit Tabak, Seife und «Ammlung» handelte.

Auch von den 38 Gewerbetreibenden in Birmenstorf werden drei als Taglöhner bezeichnet. Das für damalige Verhältnisse stattliche Dorf hatte zwei Wirtschaften, die von Johann Rey und Johann Zehnder geführt wurden. Einen Hinweis auf den grossflächigen Weinbau geben auch die drei Küfer, Jakob und Abraham Bopp sowie Johann Meyer. Bemerkenswert sind ferner die beiden Müller Rudolf Häusermann und Jakob Biland. Im Bekleidungsgewerbe stellen wir fünf Schneider sowie je vier Schuhmacher und Weber fest. Recht stark vertreten ist auch das Baugewerbe: vier Zimmerleute, ein Schreiner und zwei Maurer. Als Vieharzt wirkte Hans Zimmermann. Erwähnen möchten wir schliesslich auch die beiden Spezereihandlungen von Heinrich Zehnder und Johann Biland sowie Anna Maria Beutler, welche Bänder und Nastücher vertrieb.

Hägglingen ist mit 828 Einwohnern das bevölkerungsreichste Dorf vorliegender Abhandlung. Dementsprechend hoch ist die Anzahl der Gewerbebetriebe, nämlich 43. Die Gewerbestruktur ist hier um einiges anders als in den übrigen Gemeinden: Wir verspüren hier die Nähe Wohlens mit seiner Strohindustrie. Wir zählen sechs Strohhutmacher und drei Strohhuthändler. Ganz allgemein fällt auf, dass viele Bürger Handel trieben: So zählen wir vier Kurzwarenhändler, Leonz Geissmann verkaufte Tuch aus dem deutschen Nördlingen, Johann Geissmann «Ammlung» wohl aus dem benachbarten Tägerig; auch Josef Geissmann handelte mit Tüchern und Johann Schmid mit Zunder und Feuersteinen. Hägglingen scheint auch ein Zentrum des Viehhandels gewesen zu sein: Nicht weniger als sieben Viehhändler lassen sich hier nachweisen. Und so verwundert es nicht, dass in Hägglingen mit Jakob Borner gar ein Tierarzt praktizierte. Wir finden aber auch andere, eher selten ausgeübte Handwerke: So betätigten sich Vinzenz und Konrad Schabegg als Schirmmacher, Bernhard Schmid als Seifensieder und Kaspar Wassmer als Harzer. Letzterer gewann aus Nadelhölzern Harz.

In Mägenwil fällt auf, dass sich nicht weniger als fünf Schuhmacher, vier Zimmerleute und drei Küfer feststellen lassen, wobei unter Küfer Heinrich Stofer ausdrücklich angegeben ist, er sei arm. Hans Rudolf Rohr arbeitete als Strohdachdecker. Einen bedeutenden wirtschaftlichen Faktor stellten die Mägenwiler Sandsteinbrüche dar: Im Verzeichnis werden drei Steinbruchbetriebe aufgeführt, wobei Christoph Vock vier Taglöhner beschäftigte.

In Oberrohrdorf handelten Franz Josef Bouvoir «mit verschiedener Waare» und Sebastian Biland sowie Jakob Lang mit Kurzwaren. Philipp Widmer betrieb eine Spezereihandlung. Neben den üblichen Berufen wie Schmied, Küfer, Schuhmacher, Schreiner und Schneider ist auch ein nicht namentlich genannter Strumpfweber aufgeführt. Über die Verhältnisse in Niederrohrdorf haben wir schon weiter oben berichtet.

In Stetten beschäftigte sich Johann Georg Meyer sowohl als Müller als auch als Schmied. Neben einem Sattler, einem Wagner, einem Schreiner und einem Schuhmacher sind vor allem die beiden Leinenweber Klaus Fischer und Kaspar Humbel erwähnenswert.

Von den 28 Gewerbebetrieben in Wohlenschwil/Büblikon (Wohlenschwil 19, Büblikon 9) beschäftigten sich nicht weniger als acht Einwohner mit dem Herstellen oder dem Vertrieb von «Ammlung». Dieses Gewerbe blieb also nicht ganz auf das benachbarte Tägerig beschränkt. Diversifiziert hatte sich der aus Beromünster hergezogene Jakob Ineichen: er arbeitete als Ammlung- und Eisenhändler und als Zimmermann. Konrad Angli war zugleich Krämer und Schirmmacher. Johann Morell handelte mit Bändern und Wollwaren. Martin Florian Geissmann betätigte sich als Ziegelbrenner. Neben drei Schneidern verdienten zwei Dorfbewohner, nämlich Johann Meyer und Josef Thommann, als Leinenweber ihr tägliches Brot.

Zusammenfassung
Wir wollen nun über die 299 Gewerbebetriebe, die wir in diese Abhandlung miteinbezogen haben, noch einige Rückschlüsse ziehen und etwas Statistik betreiben. Wichtig für das soziale Leben einer jeden Gemeinde war die Gastwirtschaft. Ausser in Stetten sind in allen untersuchten Gemeinden Wirte nachgewiesen; doch hatte es bestimmt auch in Stetten eine Wirtschaft,
ein Hinweis mehr, dass dieses Register Lücken aufweisen muss.

Damals wurde auch die Wasserkraft relativ kleiner Bäche genutzt und durch diese recht viele Mühlen angetrieben: acht Müller übten ihren Beruf in Birmenstorf, Mellingen, Niederrohrdorf, Stetten und Wohlenschwil aus.

In diesem Verzeichnis sind die Spezialhändler mit 35 Personen, die z.B. Tücher, Kurzwaren, Seide usw. vertrieben, am stärksten vertreten. Aber auch die 10 Krämer oder Spezereihändler deuten darauf hin, dass die Bevölkerung verhältnismässig gut mit den Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen des täglichen Bedarfs versehen wurde. An der Spitze der Handwerker
stehen mit 28 Berufsleuten die Schuhmacher, ein Zeichen, wie gross der Schuhverschleiss damals war. Sich mit der Kutsche oder mit dem Pferd fortzubewegen, war zu jener Zeit für einfache Leute fast unbezahlbar. Auch die Anzahl der 21 Schneider ist beachtlich. Interessanterweise lassen
sich von diesen 21 Schneidern nur deren zwei in Mellingen nachweisen: Bauernfrauen, die viel auf dem Feld mitarbeiten mussten, hatten offenbar im Gegensatz zu den Frauen in der Stadt weniger Zeit, auch noch Kleider zu schneidern. Zudem wurden die Frauen in der Stadt schon damals in Hauswirtschaft unterrichtet.

Bezeichnend ist der Gegensatz Stadt - Land auch bei den Metzgern und Bäckern: Von den fünf aufgelisteten Bäckern arbeiteten vier in Mellingen, von den sechs Metzgern ebenfalls deren vier in unserem Städtchen. Bauernfrauen buken ihr Brot meist selbst. Und auf dem Land wurden weniger Metzger benötigt, weil auf den Höfen hin und wieder ein eigenes Tier geschlachtet wurde. Bemerkenswert ist im Weitern, dass von den 17 Webern nur einer sein Brot in Mellingen verdiente. Das Weben brachte vor allem zur Winterzeit für viele Bauern einen willkommenen Zusatzverdienst. Beim Baugewerbe schwingen die 22 Zimmerleute obenauf, ein Hinweis, dass der Werkstoff Holz eine überragende Bedeutung hatte, gefolgt von je 10 Maurern und 10 Schreinern sowie fünf Hafnern, wovon denen vier ihre Werkstatt in Mellingen hatten.

Zu erwähnen sind weiter 16 Metall verarbeitende Berufsleute, wie Schmiede, Nagelschmiede, Schlosser und Spengler, die 8 Wagner und die 8 alle in Dörfern wohnenden Viehhändler und schliesslich erwarben auch 10 Küfer - ein Hinweis auf den nicht unbedeutenden Weinbau in der Region unteres Reusstal -, 3 Drechsler und 4 Seiler ein Gewerbepatent.

Diese doch recht weitgefächerte Palette an Betrieben in unserer Region lässt zwar auf ein verhältnismässig reges Gewerbe schliessen, doch eigentliche Ansätze zur Industrialisierung lassen sich noch keine feststellen, selbst in Mellingen nicht, das wohl mehr Gewerbebetriebe als die umliegenden Dörfer aufwies, sich aber keineswegs als Zentrum vieler Spezialhandwerker und Händler von der umliegenden Landschaft aussergewöhnlich stark abhob.

Quellen und Literatur:
- Leuthold Rolf. Der Kanton Baden. Aarau 1934.
- Meier Seraphin. Geschichte von Tägerig. Aarau 1915.
- Revolution im Aargau. Verschiedene Autoren. Aarau 1997.
- Staatsarchiv Aargau: StA AG AA 9412: Gewerbs-Patenten-Register 1801.




Bild-Nr.: 20001
Bild: Mellinger Städtlichronik 2001
Text: Mellinger Städtlichronik 2001/Rainer Stöckli
Copyright: Mellinger Städtlichronik 2001/Rainer Stöckli

1801