Hedwig Weiss
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Zum Tode von Hedwig Weiss
Drei Jahre liegen zurück, als die geschätzte Lehrerin Hedwig Weiss in geistiger Frische, im Umkreis von Verwandten, Freundinnen und Freunden, von ehemaligen Schülern, ihren 90. Geburtstag feiern durfte. Man muss in der Schulgeschichte weit zurückblättern, bis man Hedwig Weiss in unserem Städtchen erstmals begegnet. Im Jahre 1928, als die heutige Reussbrücke mit einem Jugendfest eingeweiht wurde, trat sie ihre Lehrtätigkeit an unserer Primarschule an, als Nachfolgerin von Sophie Wassmer, der legendären und gestrengen "Jumpfer Lehrerin", die beinahe 50 Jahre lang an unserer Schule unterrichtete, anfänglich in den Schulräumlichkeiten im heutigen Rathaus, bevor sie 1897 im Schulhaus an der Bahnhofstrasse einziehen konnte.
1906 wurde Hedwig Weiss im kleinen, abgelegenen Fricktaler Dorf Sulz geboren, deren Einwohner damals ihren Lebensunterhalt fast ausschliesslich als Landwirte, Nagelschmiede und beim Maschinenstricken verdienten. Die Volksschulzeit absolvierte sie in ihrem Dorf an der Gemeinde- und Fortbildungsschule. In der Folge trat sie im Kloster Heiligkreuz bei Cham eine Haushaltlehre an, die sie jedoch nicht abschloss, weil der aufgeweckten Schülerin der längst gehegte Berufswunsch schon bald in Erfüllung ging. Sie konnte ans Seminar übertreten und Lehrerin werden. Hedwig Weiss verliess das Kloster Heiligkreuz mit dem Zugerpatent, musste jedoch noch ein Jahr das Lehrerinnenseminar Aarau besuchen, bevor sie in unserem Kanton unterrichten durfte.
Volle 42 Jahre diente Hedwig Weiss unserer Primarschule als Lehrerin in einer segensreichen Tätigkeit. Mit Freude und Dankbarkeit denke ich an die Jahre 1930 und 1931 zurück, als ich bei der frischgebackenen Lehrerin die erste und zweite Klasse besuchen durfte, eine schöne Zeit, die mir in bester Erinnerung bleibt. Ich weiss, dass damals der Grund zu meinem Lebenswunsch gelegt wurde, einmal selber Lehrer zu werden.
Für Hedi Weiss waren ihre Schüler das ein und alles. Mit vollem Herzen fühlte sie sich dem Beruf verpflichtet. In ihrer Schulstube, eine Stube im wahrsten Sinne des Wortes, herrschte viel Wärme, aber auch mütterliche Konsequenz und Strenge. Die Kraft für ihre grosse Aufgabe schöpfte sie aus ihrer positiven Einstellung zum Leben, aus einem unerschütterlichen christlichen Glauben und der Treue zu ihrer Kirche. Es ist mir voll gegenwärtig, dass sie ihre Pflicht nicht nur im Vermitteln von Wissen und Können sah, sondern ebenso sehr in der Erziehung ihrer Schüler zu ganzen Menschen unter Einbezug der musischen und manuellen Kräfte. Ich erlebte 1954 eine grosse Freude, als ich ihr nach meinen zehn Hornusserjahren als Kollegin begegnen durfte. Bis zu ihrer Pensionierung fand ich Gelegenheit, von ihr menschlich und beruflich zu profitieren.
Nun hat sich ihr Lebenskreis geschlossen. Wenige Monate nach ihrem 90. Geburtstag musste sich Hedwig Weiss, wegen einer gesundheitlichen Störung, in Laufenburg in Spitalpflege begeben. Sie erholte sich recht gut und konnte darauf im benachbarten Altersheim ein Zimmer beziehen. bestens betreut vom Heim und ihren Verwandten durfte sie in ihrer neuen Umgebung noch eine schöne Zeit erleben, zufrieden und geistig regsam. Dann meldeten sich neue gesundheitliche Störungen, von denen sie der Tod (am 12. September 1999) bald erlöste. Im kleinen Dorffriedhof ihrer geliebten Heimatgemeinde Sulz wurde sie zur letzten Ruhe getragen unter grosser Anteilnahme der Dorfbevölkerung und vielen Trauergästen aus unserer Gemeinde, die Hedi Weiss bis ins hohe Alter Treue und ein gutes Andenken bewahrten.
Otto Müller
Bild-Nr.: HW001
Bild: Mellinger Städtlichronik 1999
Text: Mellinger Städtlichronik 1999 / Otto Müller
Copyright: Mellinger Städtlichronik 1999