2000 - Mellingen im 2. Jahrtausend - Teil 2, Rainer Stöckli

Geschichte > Aus Mellinger Städtlichroniken ab 1991

2000 Mellingen im 2. Jahrtausend - 2. Teil

Bild: «Bataille de Mellingen»: Gemeint ist damit das Gefecht zwischen Mellingen und Wohlenschwil im Bauernkrieg 1653. Diesen Stahlstich schuf um 1850 Adolf Gadon (1828-1889) von Pruntrut'

Schicksalshaft war für Mellingen das 15. Jahrhundert (1401-1500), als die Eidgenossen 1415 dem in Acht und Bann liegenden Herzog Friedrich von Österreich im Auftrag des deutschen Königs Sigismund den Aargau entrissen und unsere Gemeinde am 21. AprII als allererste Untertanenstadt der Eidgenossenschaft einnahmen. In der Folge war Mellingen den VIII Alten Orten unterstellt, konnte aber alle seine städtischen Privilegien - wie z.B. die um 1400 erworbene Blutgerichtsbarkeit - bewahren. Das Städtchen teilte von nun an in vielen Belangen das Schicksal der eidg. Orte und wurde beispielsweise im Alten Zürichkrieg (1436-1450) arg in Mitleidenschaft gezogen, weil das Städtchen anfänglich auf der Seite Zürichs und Österreichs stand. In der zweiten Jahrhunderthälfte stellte Mellingen namhafte Truppenkontingente, als die Eidgenossen 1476/77 gegen Herzog Karl den Kühnen von Burgund und 1499 im Schwabenkrieg gegen den Schwäbischen Bund zogen. Im Übrigen erlebte Mellingen in der zweiten Jahrhunderthälfte eine eigentliche kulturelle Blüte: Zeugnis davon legt z. B. die prächtige, vom einheimischen Werkmeister Hans Widerkehr geschaffene Ratsstube, welche heute als einer der schönsten spätgotischen Innenräume der Deutschschweiz im Landesmuseum bewundert werden kann. Mellinger Studenten studierten damals an der Sorbonne in Paris sowie an den Universitäten Heidelberg, Köln und Basel.

Das 16. Jahrhundert (1501-1600)
begann mit einem Paukenschlag. 1505 wurde das Städtchen durch Brandstiftung zu rund 60 Prozent eingeäschert. Trotzdem liess sich die Bürgerschaft nicht entmutigen, baute innerhalb weniger Jahre die Häuser wieder auf. Zeichen echten Bürgerstolzes ist das 1536 vollendete Rathaus, das sein Aussehen mit Ausnahme des Erdgeschosses nicht mehr stark verändert hat und mit seiner strengen Symmetrie an einen kleinen Palazzo der Renaissance erinnert.
Das religiös und politisch wichtigste Datum war wohl der 27. März 1529. Damals trat die Stadt durch Gemeindeversammlungsbeschluss zur Reformation über. Einmal mehr hatte Mellingen wie im Alten Zürichkrieg auf die falschen Karten gesetzt. Nachdem die Bürger auf Seiten der Reformierten im Herbst 1531 in den Schlachten von Kappel und am Gubel unterlegen waren, wurden sie neben Bremgarten und den Freien Ämtern gezwungen, wieder den katholischen Glauben anzunehmen. Dies hatte fatale Folgen: Da einerseits in Mellingen die wichtigste Strassenverbindung zwischen den beiden mächtigsten eidg. Ständen, den in Mellingen ebenfalls mitregierenden reformierten Städten Zürich und Bern, durchführte, die V kath. Innern Orte aber die Oberaufsicht über unser Städtchen beanspruchten, kreuzten sich hier die Interessen von Katholiken und Protestanten. Nicht umsonst war Mellingen daher zwischen der Reformation und dem 2. Villmergerkrieg 1712 ein Dutzend Mal besetzt. Einerseits brachte die Rekatholisierung und der Dualismus zwischen reformierten und katholischen Orten massive rechtliche und wirtschaftliche Einschränkungen. Anderseits verwundert es, dass ausgerechnet das geschwächte Mellingen als eine der ganz wenigen aargauischen Städte es fertig brachte, mittels Geldern aus dem sehr begüterten Spital die Gerichtsherrschaft über Tägerig zu erwerben und derart bis 1798 seinen rechtlichen Einflussbereich erheblich zu erweitern.

Im 17. Jahrhundert (1601-1700) ist Mellingen eine mehrheitlich krisengeschüttelte Gemeinde. Die Spannungen zwischen reformierten und katholischen Orten hielten an und gipfelten im Villmergerkrieg von 1656, in welchem unsere Stadt ein weiteres Mal viele Wochen lang besetzt war und grossen Schaden erlitt. Auch schon im Dreissigjährigen Krieg (1618 bis 1648), als die eidg. Nordgrenze insbesondere durch schwedische und französische Truppen bedroht war, hatte Mellingen zwei Besetzungen zu erdulden. Hinzu kam 1629 eine schreckliche Pestepidemie, welche beinahe die Hälfte der Bevölkerung dahinraffte. Glück im Unglück waren die zahlreichen Flüchtlinge, welche in den Dreissiger Jahren im Gefolge des Krieges in unser Gebiet einwanderten und auch für Mellingen eine bevölkerungsmässige Blutauffrischung mit sich brachte. Handwerk und Handel blühten auf, und der Umstand, dass die Stadt Luzern 1647 am Kirchplatz ein eigenes Salzhaus eröffnete, offenbart uns die ausgezeichnete verkehrs- und handelspolitische Lage unseres Städtchens von Ost nach West auf der Strasse und von Süd nach Nord auf der Reuss. Wegen der Nähe der Städte Bremgarten, Lenzburg, Brugg und Baden konnte sich aber die Gemeinde nie zu einem bedeutenden Wirtschafts- und Handelsplatz mausern.
Wichtig war Mellingen als Transitort: davon legen die bis zu 30 Gaststätten beredtes Zeugnis ab. Im Übrigen war Mellingen stets stark landwirtschaftlich geprägt, d.h. viele Bürger betrieben neben ihrem Handwerk als zweites Standbein noch etwas Landwirtschaft. Dieser Bezug zur Bauernsame äusserte sich auch im Bauernkrieg von 1653: Die Bürgerschaft konnte eine gewisse Sympathie zu den Bauern nicht verhehlen. Schliesslich wurden die Aufständischen am 3. Juni 1653 zwischen Mellingen und Wohlenschwil besiegt (s. Abbildung); am Tag darauf erzwangen die regierenden Orte im sogenannten Mellinger Frieden die Kapitulation der Bauern.






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Bild: Mellinger Städtlichronik 2000
Text: Mellinger Städtlichronik 2000/Rainer Stöckli
Copyright: Mellinger Städtlichronik 2000

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