Scharf Eck
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Möglicherweise wurde das Foto auch etwas später aufgenommen. Eine Gastwirtschaft ist sicher seit 1880 nachgewiesen, um 1900 taucht erstmals der Name „Scharfer Eck“ auf.
Über die Madonna am "Scharfen Eck" s. Bild-Nr. 04108.4
s. den ausführlichen Text unter Bild-Nr. 04050
Bild-Nr.: 04009
Bild: Fotoarchiv Mellingen
Text: Fotoarchiv-Team
Copyright: Fotoarchiv Mellingen
Zur Datierung: Das vermutlich 1925 entfernte Tavernenschild ist nicht mehr sichtbar.
Im Gegensatz zu Foto 04009 ist hier das Haus renoviert. Auch die Madonna erscheint wieder in lichtem Weiss. Zudem ist das Gasthaus in anderer Schrift angeschrieben „Restaurant z. scharfen Eck“. Neu ist das Haus nicht nur gegen die Hauptgasse sondern auch gegen die Grosse Kirchgasse beschriftet.
Für das Weitere s. Bild-Nr.: 04050.
Bild-Nr.: 04011
Bild: Fotoarchiv Mellingen
Text: Rainer Stöckli
Copyright: Fotoarchiv Mellingen
Zur Datierung: Gebäude vor der Restaurierung 1974.
Das heutige Gebäude mit dem Restaurant „Zum scharfen Eck“ diente vermutlich im 17./18. Jahrhundert als Wohnhaus und Werkstatt der Künstlerdynastie Widerkehr. Bereits 1767 hiess das Gebäude "Haus am Egg". Besitzer war der Kunsthandwerker Kaspar Josef Widerkehr (1707-1769). Von diesem dürfte die vollplastische lebensgrosse Muttergottes mit Kind (ca. 1740) an der Hauskante geschaffen worden sein. Eventuell könnte die Plastik auch ein Werk von Kaspar Josefs Vater Franz Xaver Widerkehr (1680-1760) sein. Stammvater dieser Künstlerdynastie war Johann Adam Widerkehr (1651-1711), von dem die beiden Johannes-Statuen auf dem Hochaltar und vermutlich auch das Hauptportal der Pfarrkirche stammen. Aus diesem Geschlecht gingen sieben Künstler hervor, die vor allem sakrale Werke schufen.
Die Angaben aus dem 19. Jahrhundert entstammen dem Werk von Heinrich Zumstein. Mellingen 1700-1900, Mellingen 1988, S. 316-317: 1820 wollte Dr. Widerkehr hier eine Wirtschaft eröffnen. Das entsprechende Gesuch wurde aber abgelehnt, da es schon genügend Wirtschaften in der Gemeinde gebe. Laut Zumstein wirtete vor 1883 Tierarzt Iten hier, 1886 wird Ulrich Hümbelin Besitzer des Hauses. Ab 1893 wirtet ein Martin Schuppisser. Um 1900 taucht erstmals der Name „Scharfer Eck“ auf. In den 1930er-Jahren wirteten die Nauers, später betrieben Herr und Frau Bucher, die zuvor die Bäckerei gegenüber geführt hatten, die Wirtschaft. 1974 erhielt der der Bau unter dem Besitz von Hans-Rudolf Willner seine heutige Form. 1994 ging die Wirtschaft Konkurs. Damals war das Gebäude im Besitz der AG Scharf Eck, welche Gesellschaft zu einem unübersichtlichen Imoblienkonglommerat von Finanzhaien gehörte. Ersteigert wurde es für 1.11 Millionen Franken vom Ehepaar Otto und Trudi Rubi, Mellingen, dem die Liegenschaft noch heute (2022) gehört. Nach einigen Wirtewechseln wurde der Scharf Eck unter dem Ehepaar Marianne und Sigi Würth von 2001 bis 2016 ein Geheimtipp für Gastronomen. 2016 übernahmen Severin Louys und Tina Adler das Traditionslokal. 2018 zog die beiden von Mellingen weg. 2019 wurden Guido Meier (Gaststube im 1. Obergeschoss) und Claudia Lindauer (Bar) im Erdgeschoss neue Pächter. Guido Meier bietet Kochkurse an. Zum andern kann die Gaststube für diverse Events gemietet werden. Claudia Lindauer war zuvor Geschäftsführerin des "Stadttörli".
Bild-Nr.: 04050
Bild: Fotoarchiv Mellingen
Text: Rainer Stöckli / Otto und Trudi Rubi
Copyright: Fotoarchiv Mellingen
Die Madonna - ein Werk von ca. 1740, verfasst von Markus Imoberdorf:
"Bei der Renovation der Stadtkirche von Mellingen 1970-72 ist den vielen Mellingern teils unbekannte Künstlername Widerkehr in Erinnerung gerufen worden. Anlässlich der vom 3. Sept. - 15. Okt. 1972 im Kunsthaus in Aarau stattgefundenen Kunstausstellung 'Barockplastik des Aargaus' wurden von Johann Adam Widerkehr die Plastiken von Johannes dem Täufer und dem Evangelisten [die auf dem Hochaltar der Pfarrkirche stehen] gezeigt, die zu den bedeutendsten frühbarocken Plastiken des Aargaus zählen und beredtes Zeugnis ablegen, vom hohen Niveau der Künstlerfamilie Widerkehr (P. Hoegger).
Um das Kunstwerk der Madonna zum 'Scharfen Eck' zu verstehen, ist es unumgänglich, einige bereits früher publizierte Angaben über die Familie Widerkehr zu wiederholen.
Franz Xaver Widerkehr, der Künstler der Madonna, geb. 1680 in Mellingen, gest. 1760 daselbst, war der Sohn von Johann Adam Widerkehr, der Schöpfer der Innenausstattung der 1675 neuerbauten Kirche von Mellingen (Altäre, Kanzel, Chorgestühl und Hauptportal).
Franz Xaver Widerkehr übernahm als Bild~ und Altarbauer die Werkstatt seines Vaters und führte sie mit seinem Sohn Kaspar Josef (1709 -1769) weiter. Aus den Händen dieser beiden Künstler sind nicht nur bedeutende Werke in Mellingen, z.B. der Tabernakel des hl. Antonius in der Antoniuskapelle und die Madonna zum 'Scharfen Eck' entstanden. Sie haben auch ausserhalb ihres Heimatortes und -kantons bedeutende Werke geschaffen, wie die Statuen der Pfarrkirche Göslikon, den plastischen Schmuck für den Hochaltar der Stiftskirche Zurzach, Altäre in Gnadenthal, Orgelprospekte der Stadtkirche Aarau und Altäre der Klosterkirche Rheinau, um nur einige zu nennen.
Eine sichere Werkscheidung zwischen dem älteren Franz Xaver und dem jüngeren Meister Kaspar Josef ist noch nicht gelungen, zumal beide, Vater und Sohn, in enger Arbeitsgemeinschaft tätig waren. Man bemerkt im ornamentalen und figürlichen Schaffen der Werkstatt deutlich eine konservative, derb-kernige und eine fortschrittliche, elegante Linie, die eine ältere und eine jüngere Hand vermuten lässt. (P. Felder}
Es wird angenommen, dass das Haus zum 'Scharfen Eck' das Geburts-und Wohnhaus der Familie Widerkehr war. Die Widerkehrs waren Tischler und somit schufen sie ihre Werke aus Holz. Als einziges mir aus der Literatur bekanntes Werk aus Stuck (Gips) geschaffen, ist die Madonna zum 'Scharfen Eck' und zwar in einer besonders eleganten Art. [Laut Peter Hoegger besteht aber der Kern der Plastik aus Holz.] Ob diese elegante Linie dem Vater Franz Xaver oder seinem Sohn Caspar Josef zugeschrieben werden kann, bleibt noch abzuklären. Sicher ist, dass es sich um ein hervorragendes Werk dieser Künstlerfamilie handelt.
Als das Haus zum 'Scharfen Eck' als Umbauobjekt ausgeschrieben war, gelang es, den Eigentümer H.R. Willner, Birr, von der Notwendigkeit und Nützlichkeit der Renovation zu überzeugen und auch die Ortsbürgerschaft zu einem Beitrag zu bewegen. Nachdem das Werk durch die Handwerker (Stuck: Johann Hagenbuch ; Dachhimmel aus Holz: Karl Meier, Künten; Kupferarbeit: Eicholzer Oberlunkhofen) vollendet ist, danken wir Herrn H.R. Willner, der Ortsbürgergemeinde, Herrn Dr. Felder von der kant. Denkmalpflege, die sich die Kosten der Restauration teilen, sowie Herrn Josef Disler, der die Gerüstarbeit gratis ausführte. Mellingen hat damit im Jahr der Denkmalpflege ein bedeutendes Werk für die Nachwelt restauriert. Der Sinn dieser Restauration soll nicht nur der Erhaltung eines Kunstwerkes dienen.
Der Künstler hat sicher mit dem Schaffen seines Werkes die Verherrlichung der Gottesmutter angestrebt. Wenn wir dieses Kunstwerk betrachten, denken wir einerseits an die Künstlerfamilie Wiederkehr, anderseits an den fahrenden Skolaren, der mit seinem Liede singt:
'Als ich da vorbeigewandert hab ich Reverenz gemacht,
Ein Gebet mir aus dem Kopfe recht bedächtig hergesagt.' "
Ergänzungen in eckigen Klammern von Rainer Stöckli
Ausführlicher Text über den "Scharf Eck" s. Bild-Nr. 04050
PS. An der 2022 neu angebrachten Tafel über den Scharf Eck wird die Statue aus stilistischen Gründen eher Kaspar Josef Widerkehr zugewiesen. Es ist zu bedenken, dass Franz Xaver Widerkehr damals, als dieses Werk geschaffen wurde, bereits beinahe siebzigjährig war. Zudem ist seit 1988 laut schriftlicher Quelle bekannt, dass die Antoniusfigur in der Antoniuskapelle 1739 von Kaspar Josef Widerkehr angefertigt wurde.
Bild-Nr.: 04108.4
Bild: Hildegard Süssli
Text: Markus Imoberdorf / Rainer Stöckli
Copyright: Fotoarchiv Mellingen
Aus stilistischen Gründen wohl ein Werk des Mellinger Bildhauers Kaspar Josef Widerkehr.
Weitere Angaben über das Gebäude "Zum Scharfen Eck" s. Bild-Nr. 04050
Bild-Nr.: 04051
Bild: Fotoarchiv Mellingen
Text: Rainer Stöckli
Copyright: Fotoarchiv Mellingen
Auf diesem Foto erscheint der viergeschossige Eckbau in seiner vollen, beachtlichen Grösse.
Über das Haus "Scharf Eck" s. Bild-Nr. 04050
Rechts davon die südöstliche Häuserzeile der Hauptgasse bis zur Einmündung der Kleinen Kirchgasse. Auch hier sehen wir wie in der Grossen Kirchgasse, dass Mellingen im Mischbereich zwischen traufständigen und giebelständigen Häusern (ost- und westschweizerische Bauformen) liegt. Links des "Scharf Eck" das ehemalige Restaurant "Frohsinn", s. Bild-Nr. 06018, auch ein giebelständiges Gebäude.
Bild-Nr.: 04105
Bild: Viktor Zimmermann
Text: Fotoarchiv-Team
Copyright: © Viktor Zimmermann