Ballyhaus

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1908 Haus von Christian Wassmer an der Hauptgasse

Am 12. Mai 1908 beschädigte der Spezereiwarenhändler Christian Wassmer, genannt Bally, sein Haus durch eine grosse Sprengladung. Der psychisch kranke Wassmer , hatte mit den Behörden ständig Streit und war auch eine Zeitlang bevormundet.
Am Morgen des 12. Mai 1908 zündete er den Sprengstoff, sodass das Haus sehr stark beschädigt und einsturzgefährdet war. Deshalb musste man dieses mit mächtigen Baumstämmen stützen. Zuerst glaubte man, Wassmer sei bei diesem Unglück ums Leben gekommen. Dem war jedoch nicht so. Deshalb stieg eine Abteilung der Feuerwehr, mit Pistolen bewaffnet, auf der Feuerleiter aufs Dach, wo Wassmer, drei geladene Revolver in der Hand, auf dem Dachfirst sass. Als dieser seine verzweifelte Lage erkannte, stürzte sich Wassmer im Angesicht zahlreicher Schaulustiger aufs Trottoir der Hauptgasse, wo er tot liegen blieb.

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Da die Gemeinde Mellingen sich nicht im Klaren war, wer die Abbruchkosten zu bezahlen hatte, vergingen ganze sechs Wochen, bis das stark einsturzgefährdete Haus auf Befehl des Regierungsrats sorgfältig abgetragen wurde. Das Haus wurde nicht mehr aufgebaut. Deshalb ist seither der Eingang zwischen dem Haus Hauptgasse Nr. 11 und Haus Kleine Kirchgasse Nr. 2 wesentlich breiter als früher. Doch Mellingen hat dadurch ein sehr dominantes Haus mit hübscher Giebelründe, Eckstrebepfeiler und Befensterung wahrscheinlich teilweise aus dem 16./17. Jahrhundert verloren.
Das nebenstehende Gebäude von Uhrmacher Kohler (Haus Kleine Kirchgasse 2) wurde im Firstbereich ebenfalls stark beschädigt. Durch die heftige Detonation gingen im Städtchen Hunderte von Fensterscheiben in die Brüche.

Literatur: Reussbote 13.5.1908; 26.8.1963; 6.5.2008 – Ausführlich: Rainer Stöckli. Der Fall Christian W. Mellinger Städtlichronik 2008, S. 78-88.

In: "Emilia Pagano. Geschichten und Erzählungen" finden wir folgende Erinnerungen von Emil Hirt, Vater der Autorin: "Angrenzend ans Restaurant "Rotes [richtig: Weisses] Kreuz"an der Ecke zur kleinen Kirchgasse war ein Eisenwarenladen. Dort konnten die Bauern Sprengstoff kaufen, etwa um Wurzelstöcke von Bäumen zu sprengen. Der Besitzer war ein komischer Kauz, der oft bespöttelt wurde. Immer öfter antwortete er: "Ganz Mellingen wird mich in Erinnerung behalten, auch nach meinem Tod."
Jene Samstagnacht vergesse ich nicht. Es war eine Weile nach Mitternacht. Wir schreckten aus dem Schlaf. Vom Städtchen her hörten wir einen fürchterlichen Knall. Bald darauf sahen wir Feuerflammen in die Höhe schiessen. Notdürftig bekleidet rannten wir ins Städtchen. Es zeigte sich ein Schild des Schreckens. Eine Explosion hatte das Haus dieses komischen Mannes weggerissen. Vom Hotel Löwen fehlte eine Hausecke. Sie lag auf der Strasse und versperrte den Weg. Fenster lagen zertrümmert auf der Hauptgasse. Feuer loderte aus den Trümmern. Der Mann hatte überall Zündschnüre gelegt und Benzin ausgegossen und sich selber in die Luft gesprengt. Es war ein Wunder, dass keine weiteren Personen ums Leben kamen."
Dieser Bericht entspricht nicht in allen Teilen der Berichterstattung in den Zeitungen. So beging besagter Mann erst später Suizid.


Bild-Nr.: 04005.8
Bild: Fotoarchiv Mellingen
Text: Rainer Stöckli / Emilia Pagano
Copyright: Fotoarchiv Mellingen

12.05.1908