Pfarrkirche Kabinettscheiben
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Keine andere Kirche im Aargau birgt einen derart reichen Zyklus an Kabinettscheiben wie die Pfarrkirche Mellingen. Bedeutend mehr Kabinettscheiben sehen wir allerdings in den Kreuzgängen der Klöster Muri und Wettingen - Kunstwerke, die allerdings ausserhalb der Kirche bewundert werden können. Die 15 Glasgemälde stammen noch zum grössten Teil aus der gotischen Kirche, die 1620/1640 in grösserem Umfang restauriert wurde. Zwei Scheiben stiftete der Abt von St. Urban in die neue 1675 erbaute Pfarrkirche. Die Scheibe des Landkapitels Mellingen-Lenzburg aus dem Jahr 1621, die erst seit 1988 im rechten Chorfenster eingelassen wurde, gehörte nach heutigen Erkenntnissen nicht zum ursprünglichen Bestand der Pfarrkirche. Das selbe gilt auch für die in der Sakristei aufbewahrte Scheibe mit dem doppelten Mellingerwappen.
1882 anerbot sich ein Kunsthändler, die Kabinettscheiben für 11'000 Fr. zu erwerben. Als dies die "Historische Gesellschaft des Kantons Aargau" vernahm, wandte sie sich an den Regierungsrat, dafür zu sorgen, dass diese Kunstgegenstände nicht nach auswärts verschleudert würden. Darauf teilte der Regierungsrat den Behörden von Mellingen mit, vor einem allfälligen Verkauf mit der Regierung Kontakt aufzunehmen. Mellingen antwortete, man sei an einem Verkauf der Gemälde nicht uninteressiert, befinde sich doch die Kirche in einem bedenklichen baulichen Zustand. Da aber Mellingen [wegen dem Debakel der Nationalbahn] in prekären finanziellen Verhältnissen stecke, fehlten die finanziellen Mittel für eine Instandstellung der Kirche. 1890 wird in einem Protokoll des Regierungsrats erneut berichtet, Mellingen beabsichtige immer noch, die Kabinettsscheiben zu veräussern, um die Pfarrkirche endlich instand stellen zu können. Wieder liess der Regierungsrat verlauten, falls ein tatsächlicher Verkauf anstehe, müsse in Aarau eine entsprechende Zustimmung eingeholt werden. Als auch das am Ende des 19. Jahrhunderts im Entstehen begriffene Landesmuseum in Zürich kein Interesse an den Glasscheiben zeigte, entschloss man sich, diese in der Kirche zu belassen. Dank grosszügiger Spenden konnten die nötigen Restaurierungsarbeiten an der Kirche trotzdem in Angriff genommen werden. Bei der letzten Restauration der Kirche 1970/72 wurden die Kabinettscheiben in der neuen Fensterverglasung aus Sicherheitsgründen vom untern Rand etwas nach oben verschoben.
Die nachfolgenden Beschreibungen erfolgen nach: Rolf Hasler. Glasmalerei im Kanton Aargau, Band 4. Kirchen und Rathäuser. Aarau 2002, S. 184-200.
Rainer Stöckli