Sensationsfund in der Reuss

Umfahrung > Bauphase 1 - Juni bis Nov 2020 / Bauphase 2 - Juli bis Dez 2020

Sensation: Dieser Baumstamm ist 7326 Jahre alt

Mellingen: Bauarbeiten beim linken Reusspfeiler der Umfahrung bringen einen aussergewöhnlichen Fund ans Tageslicht.
Viktor Zimmermann ist in Mellingen mit seiner Kamera viel unterwegs. Als er letzthin beim linken Brückenpfeiler am
Ufer der Reuss einen alten Baumstamm entdeckte, hatte er eine Vorahnung. Er rettete den Stamm vor der Entsorgung
und wandte sich an das Dendrochronologische Institut.

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-Der Brückenbau für die Umfahrung brachte es an den Tag-
Als Städtlifotograf ist Viktor Zimmermann seit letzten Sommer immer wieder auf den grossen Baustellen in Mellingen anzutreffen. Beim Reusspfeiler an der linken Reussseite waren ab Mitte September 2020 die Taucher der Firma David Wiederkehr, Unterwasserbau AG, mit dem Reinigen der Spundwände im Einsatz. Die Unterwasserbetonplatte sollte dann sauber um die sechs 32 Meter tiefen Bohrpfähle platziert werden können. Da die Bodentiefe in der Pfeilergrube für diese 1,5 Meter dicke Unterwasserbetonplatte noch zu gering war, musste der Baggerführer der Firma Marti weiteres Material aus der Pfeilergrube entfernen. Dabei brachten die Baggerschaufeln neben Schlick und Kies einen knapp 4 Meter langen Baumstamm ans Tageslicht.

-Stamm am Ufer deponiert, wo er vom Fotografen entdeckt wurde.-
Auch hier stellte sich Viktor Zimmermann sofort die Frage: Wie lange lag wohl dieser Baumstamm dort im Schlick der Reuss? Das musste abgeklärt werden! Schnell wurde der Stamm vor der Entsorgung oder einem Hochwasser gerettet. Am 2. Oktober 2020 wandte sich Zimmermann
wiederum an Felix Walder vom Dendrochronologischen Labor in Zürich, der neben seinen Abklärungen auch noch eine C14-Untersuchung an der
ETH veranlasste.

-Die C 14-Methode – auch Radiokohlenstoffmethode genannt – ist die radiometrische Datierung kohlenstoffhaltiger, inbesondere organischer
Materialien. Der zeitliche Anwendungsbereich liegt zwischen 300 und etwa 60 000 Jahren. Sie liefert daher erstaunlich genaue Daten auch bei
sehr alten Objekten. Daher wartete man ungeduldig auf das Ergebnis der ETH. Endlich traf der Bericht am 27. Februar 2021 ein:
Der Baum sei eine Mooreiche und zeige nach allen Untersuchungen und Vergleichen eine gute Übereinstimmung auf das Jahr 5305 vor Christus.
Ein ähnliches Holzstück habe man in Dietikon (ZH) gefunden. Auch Wissenschafter in Mannheim und in Freiburg im Breisgau kamen bezüglich
Datierung der Mooreiche von Mellingen zum gleichen Ergebnis. Der gefundene Baumstamm hat also ein stolzes Alter von 7326 Jahren.

-Die Freude ist gross!-
Was geschieht mit diesem Fund? Nach Bekanntwerden dieses sensationellen Fundes stellte sich die Frage: Wie kann man dieses uralte Holzstück
für die Nachwelt erhalten? Laut Sven Straumann, Leiter Schutz, Erhalt und Fundstellen der Kantonsarchäologie Aargau, hätte man das Fundstück sofort im Wasser lagern sollen, um danach eine gute Konservierung vornehmen zu können. Leider war dies nicht geschehen. Schade – eine leise Enttäuschung machte sich bemerkbar. Dieser Stamm, der über 7000 Jahre von der Luft abgeschnitten war, hat also nicht mehr die genau gleiche
ursprüngliche Struktur. Doch riet der Archäologe, das Holzstück trotzdem weiterhin kühl und trocken zu lagern.
Gut möglich, dass eine Scheibe davon dereinst im Ortsmuseum Mellingen ausgestellt werden kann. Übrigens
hat das Fotoarchiv Mellingen die Untersuchungen über das Alter dieser Mooreiche vorderhand aus dem eigenen Sack bezahlt.
Fotoarchiv-Team Mellingen
Madlen Zimmermann, Rainer Stöckli,
Viktor Zimmermann
Viktor Zimmermann


Bild-Nr.:
Bild: Benedikt Nüssli, Reussbote
Text: Benedikt Nüssli, Reussbote
Copyright: Benedikt Nüssli, Reussbote

.04.2021

Der 7326 Jahre alte Baumstamm

Wie sah es vor 7500 Jahren im Raum Mellingen aus?

Viel Wald, wenige Menschen
Die nachfolgenden Angaben vermittelte dem Fotoarchiv-Team mehrheitlich Christian Maise, Leiter Grabungen bei der Kantonsarchäologie:
«Die Gletscher hatten sich zurückgezogen. Die Sommer waren damals heisser und die Winter kühler als heute. Der Unterschied zwischen Sommer und Winter wurde aber ständig geringer, was die Bildung der Vegetation förderte. Das Mittelland war hauptsächlich mit Wald (Ulme, Eiche, Linde und Esche) bedeckt. Sesshafte Bewohner lebten damals erst entlang der Donau, in Oberitalien und Südfrankreich. Sie betrieben bereits Viehzucht und etwas Ackerbau. Hier im schweizerischen Mittelland hielten sich aber nur wenige Menschen als Jäger und Sammler auf.
In diesem nacheiszeitlichen Waldland hatte es noch mehr Seen und Moore als heute. Bäche und Flüsse waren noch längst nicht reguliert. Fast auf der ganzen Strecke zwischen Luzern und Mellingen mäandrierte die Reuss in einem breiten Auenbereich.» Überreste der sich damals schlängelnden Reuss sehen wir noch heute beispielsweise in der Gegend von Fischbach-Göslikon und Rottenschwil (sogenannte «Stille Reuss»). «Mit jedem Hochwasser änderte der Fluss vor 7000 Jahren seinen Lauf. Es bildete sich neue Mäander während alte Arme zugeschüttet wurden. Die beim Hochwasser mitgerissenen Bäume wurden dabei zusammen mit dem Schotter abgelagert und wurden so unterhalb des Grundwasserspiegels der Zersetzung entzogen. Somit blieben sie bis heute erhalten und können in Kiesgruben oder bei Brückenbau-Arbeiten
wieder ans Licht kommen.»


Bild-Nr.:
Bild: © Viktor Zimmermann
Text: Christian Meise, Leiter Grabungen Kantonsarchäologie AG
Copyright:

.04.2021

Fundort des Baumstammes

In der Baugrube des linken Reusspfeilers wurde der Baumstamm aus ca. 4m Tiefe geborgen.


Bild-Nr.:
Bild: Viktor Zimmermann
Text:
Copyright: © Viktor Zimmermann

.04.2021